Entdeckerreise 2007: Auf den Spuren Marco Polos

Bericht 5



08.05.07 bis

Nach Yildizeli vor Sivas (Türkei)

 

11.05.07

bis Dogubayazit (Türkei)


Nach Yildizeli vor Sivas, 08.05.07 (TR)

Heute Morgen brachte eine reitende Botin von Perestroika-Tours unsere zweiten Pässe mit den chinesischen Visa. Eigentlich sollten auch die turkmenischen fertig sein, doch dieses Jahr gestaltet sich das ein etwas schwierig. Jetzt heißt es, daß ein Sammelvisum auf der turkmenischen Botschaft in Teheran liegt. Mal sehen …

Die nächsten drei Tage fahren wir ca. 1200 km über die anatolische Hochebene. Dies gibt mir ein wenig Zeit über unsere Eindrücke zu berichten. Solltest Du einige Wiederholungen entdecken, so liest du hier meine Sichtweise. Wird es dir zuviel, gehe schnell darüber hinweg.

Waren vor vier Jahren, als wir - von Tiflis in Georgien kommend - diese Strecke fuhren, von den warmen Farben, braun, grün und rote Erde, begeistert, so verstecken sie sich heute unter einem diesigen Schleier. Die Hochebene, die östlich von Ankara beginnt und durchschnittlich 1000 m Höhe erreicht, hatte uns begeistert durch frisches Grün, leuchtende Erdfarben und eine herrlich klare Luft. Am Liebsten wäre ich dort geblieben und habe mir bereits ausgemalt, wie die herrlichen Frühjahrszwiebelblumen mich im Mai begrüßen würden. Leider müssen wir feststellen, daß wir wieder einmal in der Vegetation einen Schritt in der Zeit zurückgetan haben. Die Bäume haben erst Knospen und doch ist die Zeit der Frühjahrblüher bereits vorbei.

Obwohl es heute wieder sehr heiß ist, 33° C im Wohnmobil, ist die Luft grau. Die Bauern sind mit ihren Familien auf den Feldern und hacken mit kurzen Handhacken die bis zu 1 ha großen Äcker. Eine schwere Arbeit, die besonders von den Frauen geleistet wird. Vereinzelt sieht man die kleingeblümten Pluderhosen aus dünner Baumwolle, die wir von früheren Besuchen in den Bergen bereits kennen, aber öfter sieht man hier die Frauen in Röcken bei der Arbeit. Sind es hier im Sommer bis zu 40° C., so sind die Winter bis zu 20° minus. Die Dörfer (Köy) werden immer kleiner, eine weite Landschaft ohne Häuser und Bäume begleitet uns und wir müssen uns daran erinnern, daß wir hier 1000 m hoch sind. Die ersten Störche bauen ihre Nester aus. Eine so weite, graue und diesige Hochebene atmet Einsamkeit und Düsternis.

Nach der Mittagspause an einem Brunnen - neben uns steigen fünf ! Männer aus dem Fahrerhaus eines Lastwagen und holen Wasser, eine Familie sitzt in dem kleinen Hain und macht Rast - lichten sich die Schleier. In den vor uns liegenden Reisetagen fahren wir bis Ostanatolien und werden vier Passe von über 2000 m erleben. Soeben hat eine Schildkröte unseren Weg, genau zwischen den Rädern, gekreuzt.

Das im Museum in Ankara entstandene türkische Kochbuch hat sich bereits bewährt. Zu einem Stück frischen Brot aus der Backtradition Trabzons, im Norden der Türkei, gehört eine kalte Gurkensuppe mit Dill und Joghurt, das ist sehr lecker und genau richtig in der Mittagshitze.

In dieser Region ist die Vegetation noch soweit zurück, daß die Felder noch gepflügt oder die ersten Sämlinge bewässert werden. An der Strasse gibt es weder Obst, noch Gemüse, Marmelade oder Kartoffeln zu kaufen.

Unsere Gedanken laufen voraus und wir sind gespannt, was uns der Iran an Erfahrungen bringen wird. Ich habe Beklemmungen, in der Hitze Kopftuch, Mantel, blickdichte Strümpfe und geschlossene Schuhe zu tragen. Bis jetzt wissen wir noch wenig über Land und Leute und es wird unser erstes noch nicht besuchtes Land werden.

Vielleicht einmal ein Wort zu unseren Mitreisenden: Raimund und Margret aus Graz haben allein in den letzten 14 Jahren ca. 6 Monate jeden Jahres auf Reisen gelebt, davon sind sie 100.000 km in drei Reisen von jeweils einem halben Jahr in Australien gewesen und sie haben die verschiedensten Touren z.B. durch Tibet, Syrien, Libanon und Jordanien unternommen, in der Regel allein mit ihrem Allradfahrzeug. Es ist sehr spannend zuzuhören, wenn sie über ihre Erlebnisse berichten, sie haben nie - in keinem Land - negative Erlebnisse mit den einfachen Menschen gehabt, eher jedoch mit den Beamten und Kontrolleuren. Was treibt die Menschen an, sich für ein solch abenteuerliches Leben zu entscheiden? Ein bißchen davon steckt auch in dem Namen unserer Homepage: Wissen zu wollen, was hinter dem Horizont ist, was die Beweggründe und Triebfedern der Menschen sind, so zu leben, wie sie leben, welchen moralischen und ethischen Grundsätzen sie sich verpflichtet fühlen, welche Werte einmal in ihrer Kultur gegolten haben und welche Werte sie heute noch bewahren.

Was wird diese Reise mit uns machen? Unser Wunsch ist es, wieder ein wenig zum einfachen Leben zu finden, nicht unter 50 Brotsorten wählen zu müssen, sondern das zu essen, was in den jeweiligen Ländern vor Ort geboten wird. Der Kontakt zu den Menschen, das Lächeln und das Verständnis ist nie abhängig von einer Sprache, Sympathie braucht keine Vokabeln. Wir versuchen uns auf unserer Fahrt vorzustellen, wie es ist, in einem kleinen einsamen Tal zu leben und mit einer Schaufel die Furchen eines Ackers zu ziehen. Wie ist es in einem großen Familienverbund wie in der Türkei oder in einem kleinen Bergdorf zu leben und sich den strengen Sitten zu unterwerfen. Gibt eine große Familie und der Zusammenhalt auch Sicherheit, so stehen dem auf der anderen Seite die Forderung nach Anpassung und zum Teil auch Selbstaufgabe entgegen.

Als Nächstes müssen wir uns jedoch mit den einfachen Dingen des Lebens beschäftigen, so suchen wir Tomaten, Wasser und Käse. Die Preise in der Türkei sind auf dem Land für uns immer noch eine Freude, gemessen an dem durchschnittlichen Jahreseinkommen von 15.000 Euro sind sie jedoch in den letzten vier Jahren erheblich gestiegen. Mit Lebensmitteln im Wert von 10 Euro können wir uns gut einen Tag versorgen. Ein Brot kostet 30 Cent und Obst und Gemüse sowie jede Art von Gebäckstücken und Süßigkeiten sind sehr günstig. Ein guter Käse kostet das Kilo ca. 4 Euro und ich hatte gleich im ersten Laden das Glück vom Ladenbesitzer und dessen Vater gut beraten zu werden. Der Verkäufer ist förmlich durch das kleine Geschäft gerannt, um mir sein Angebot zu offerieren und der Vater hat mir mit Gesten verdeutlicht, daß ich doch noch dies und jenes probieren müsse, unter anderem einen großen Eimer Joghurt. Zum Abschluß bekomme ich noch das türkische Wort für Danke (Na ta to) beigebracht.

Der Ort, in dem ich einkaufen war, heißt Yosgat und liegt an einem 1400 m hohen Paß. Jedes Dorf hat eine Moschee und der Muezzin ruft von Sonnenaufgang um ca. 5 Uhr bis zum Sonnenuntergang die Gläubigen zum Gebet. Wir haben uns schnell daran gewöhnt und wissen schon von unseren früheren Besuchen, daß wir den Ruf beim Verlassen der Türkei vermissen werden.

Auf dem Land gibt es keine Zäune und die Kühe, Schafe und Ziegen werden von Hirten gehütet. Waren es vor nicht langem noch 70 % der Bevölkerung, die auf dem Lande lebten und arbeiteten, so sind es heute nur noch 30 % und die anderen 70 % leben bereits in den großen Städten. Die Arbeitslosigkeit in der Türkei beträgt 10,4 % und in den Städten nur 6 %. Jünger als 21 Jahr sind 60 % der Bevölkerung ! Mit einer Geburtenrate von 1,3 ist die Türkei von 1920 bis heute von 13 Millionen auf 75 Millionen angewachsen und wächst stetig. Die Türkei exportiert kaum noch landwirtschaftliche Produkte sondern hat einen Industrieexport von 85 %. Die Art jedoch, wie die Türken mit sich und ihrer Umwelt umgehen, können wir nur hilflos und verständnislos zur Kenntnis nehmen.

Wir fahren seit Stunden über die zentralanatolische Hochebene, die nun die 1200 m nicht mehr unterschreitet und sehen den mageren Boden ohne Bäume und Häuser, jedoch ist kaum ein Meter am Wegesrand der nicht von Müll verunreinigt ist. Auch die wenigen Bäche, die noch Wasser führen, tragen Unrat an ihren Ufern mit sich. Irgendwann kommt dann ein Ort. Am Ortschild steht jeweils auch die Einwohnerzahl. Waren es früher kleine Häuser mit Walmdächern umgeben von Obstbäumen und einem Gemüsegarten, so sind es heute drei- und vierstöckige Häuser ohne irgend etwas Persönliches darum herum, kein Garten, kein Baum, keine Möglichkeit zusammenzukommen. Die Menschen waren vor noch nicht einer Generation Selbstversorger und nun sollen ihre Seelen ohne Land, ohne Pflanzen, ohne eigenes Gemüse, Obst, Tiere, Milch und Eier auskommen. Sie können nichts gestalten und sind für nichts verantwortlich, was lebt und wächst. Ich denke, das kann die Menschen auf Dauer nicht zufriedenstellen. In Uljanosk in Weißrußland zum Beispiel konnte man erleben, daß den Menschen am Stadtrand ein Stück Land zur Verfügung gestellt wurde, so gab es für jede Familie einen Garten und ein Datscha und jeder kann sich mit den Produkten aus eigenem Garten versorgen. In der Türkei sagt man von den kleinen Häusern am Stadtrand, dass sie "über Nacht gebaut" wurden, das heißt, die Besitzer haben die Häuser gebaut, ohne daß ihnen das Land, auf dem sie bauten, gehörte. Damit zahlten sie auch Jahrzehnte keine Steuern. Heute werden rund um Ankara Tausende solcher Häuser abgerissen. Noch vor zwei Jahren habe ich diese hübschen idyllischen Siedlungen an den Hängen Ankaras begeistert fotografiert. Die Besitzer erhalten zum "Ausgleich" eine "Luxuswohnung" in einem der überall entstehenden seelenlosen achtstöckigen Hochhäusern. Diese werden so dicht aneinander gebaut, daß zwischen den Häusern höchstens 4 m Platz ist, die Bewohner haben keinerlei Aussicht, außer auf den Nachbarn gegenüber und es ist immer düster. Was wird aus den Menschen, die in solchen Häusern leben müssen. Viele Besitzer der alten Häuser in der Altstadt Ankaras versuchen noch dem Umsiedeln zu entgehen, haben jedoch auch kein Geld, die alten Häuser zu sanieren, so daß es nur eine Frage der Zeit ist, bis die letzten alten Häuser verschwunden sind.

Wenn wir einen Rastplatz suchen, so stehen wir oft an verlassenen Häusern, da es kaum offizielle Parkplätze gibt. Obwohl in der Türkei aufgrund des Bevölkerungswachstums sehr viel gebaut wird, gibt es auf dem Land viele verlassene nicht nur alte sondern auch neue Gebäude. Der Grund mag darin liegen, daß auch die Türkei eine Landflucht erlebt, immer mehr Menschen ziehen in die Großstädte; Istanbul hat mit Dunkelziffer bereits 20 Millionen Einwohner und Ankara bereits 4,6 Millionen. Hier gibt es 11 Universitäten für 270.000 Studenten, das sind mehr Menschen als die Einwohnerzahl von Bremen! Den Parkplatz an der Tankstelle kennen wir schon von der Schwarzmeerfahrt. Der Bau des Hauses ist kaum fortgeschritten, die Läden sind immer noch leer - nichts hat sich geändert.

Nach Ascale (Erzurum) 09.05.07 (TR)

Wieder liegt heute eine Strecke von über 400 km vor uns, da ist es gut, keinen Konvoi zu fahren.

Der Regen, der gestern Abend einsetzte, hat mit Unterbrechungen die ganze gedauert und auch heute wird uns ein leichtes Nieseln nicht verlassen. Das ist schade, denn die tiefhängenden Wolken und die diesige Luft lassen nur erahnen, welch aufregende Bergkulisse den Horizont abschließt und welch eine Farbenvielfalt Felsen und Erde wieder aufweisen. Wir fahren an Sivas vorbei, in 1285 m Höhe mit 252.000 Einwohnern ein beachtlicher Ort. In der Regel liegen die Orte nicht direkt an der Durchgangsstraße und das Zentrum (Sehir Mekezil) lockt zum Einkaufen. Die Überlandbusse anzuhalten ist ganz einfach: man stelle sich an die Strasse und winke.

Die D200 windet sich in den Schluchten immer höher, überquert Pässe von über 1600 m Höhe. Der Verlauf ändert sich von 4-spurig-asphaltiert-gut über -schlecht, in Bau, Splitbelag zu Schlaglöcher-ganz-schlecht! Und das alles bei Nässe.

Die lange Fahrt und das graue Wetter geben mir Gelegenheit ein wenig über die alten Menschen nachzudenken. Die durchschnittliche Lebenserwartung in der Türkei beträgt 69 Jahre und der Rentenbezug begann mit 58 Jahren (heute 65 Jahren), so daß eine Rentenbezugzeit von 11 Jahren bestand (heute 7 Jahre). In Deutschland beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung 82 Jahre, bei einem Rentenbezug von 65 - 82 Jahren - also 17 Jahre - wird deutlich, daß unser Rentensystem nicht überlebensfähig ist (auch nach der heutigen Scheinreform). Die durchschnittliche Rente in der Türkei beträgt 280 Euro, was bedeutet, daß man viele einfach bis ärmlich gekleideten alte Menschen nur Brot kaufen sieht, für viel mehr reicht die Rente nicht.

In den Kopfweiden sehen wir die schönsten Storchennester und die ersten schneebedeckten Berge mit 2600 m Höhe begrüßen uns. Die Felsen nehmen zu und die Felder sind nur noch kleine Flecken. Viele Felder sind hier von schnurgeraden Pappelreihen eingerahmt. Da die Bäume erst in Knospe sind, sieht alles sehr zart und schön aus. In 2000 m Höhe wird der Kampf des Menschen mit der Natur noch deutlicher, die Straße hat tiefe Wunden in die Berge geschlagen und das Tal noch enger werden lassen, als Folge ist das Bachbett schmaler geworden und der reißende Bach fließt schneller und zerfetzt die Ränder des Bachbetts. Nach kurzer Zeit befinden sich die Schneeflecken unter uns und wir gewinnen an Höhe.

Nach dreiviertel der Strecke machten wir Rast an einer Tankstelle/Restaurant. Zum Service des Restaurants gehört auch, daß - ungefragt - der Wagen gewaschen wird, er hatte es sicher nötig, war doch die weiße Grundfarbe unter der braunen Patina kaum noch zu erkennen. Doch viel Sinn ergibt die Wäsche nicht, als wir nach weiteren 100 km an unserem Ziel in Askale ankamen, war erneut alles unter einer Patinaschicht verschwunden!

Wieder standen wir an einer Tankstelle, dieses Mal war der Platz nicht befestigt und dementsprechend durchweicht. Immerhin gab es eine Toilette, die wir zum Entsorgen benutzen konnten. Der Platz war sicher kein Luxus, aber Autos und Eisenbahn fuhren nachts nicht, so daß wir gut schliefen. Was wollen wir mehr?

Nach Dogubayazit 10.05.07 (TR)

Der Himmel ist blau mit weißen Wolken und nach dem Regen von gestern können wir es genießen von unserem Platz an der Tankstelle hinter Askale in 1500 m Höhe die Bergriesen mit ihren Schneegipfeln rund um uns herum zu bewundern. Doch nach ein paar faszinierenden Ausblicken und Fotos verhüllen sich die 3000er Berge erneut, vorbei ist es mit der herrlichen Sicht.

Heute fahren wir die letzte bekannte Strecke. In Erzurum sind wir vor vier Jahren von Georgien kommend auf die D100 gestoßen. Jetzt beginnt für uns das Neue. Weiter geht es gen Osten. Schon bald hinter Horosan steigt die Straße zum ersten Paß auf 2200 m Höhe auf. Ab jetzt können wir die Pässe nicht mehr zählen, die Straße sinkt nicht unter 1700 m ab. Je weiter wir nach Osten vordringen, desto abenteuerlicher wird Alles. Die Landschaft wird wilder, die Dörfer in Ostanatolien sehen noch ärmlicher und die Kinder verwahrloster aus. Sie kommen angerannt, wenn sie uns sehen, mit dem Ruf nach Geld, "give money" begleitet uns. Die ersten tief verschleierten Damen begegnen uns. Da es kaum asphaltierte Straßen in den Dörfern gibt, frage ich mich, wie sie die Wäsche bewältigen. Oft sehen wir Frauen, die auf dem Boden hocken und in einfachen Waschschüsseln waschen, oder gemeinsam an einem Bach die Wäsche waschen und dazu auf die Steine schlagen.

Die Straßen, an denen vor Längerem mal gearbeitet wurde, sehen wie Pisten aus, nur konsequentes Slalomfahren unter Ausnutzung aller vier Spuren bei Schritttempo verhindert Schäden am und im Auto. Leider fiel in unserem Kühlschrank ein Joghurteimer um und hinterließ seine Spuren über alle drei Etagen. Ein schleusenartiger Regenguß bescherte uns eine Kaffeepause, machte aber alles noch schlimmer, da wir jetzt nicht mehr sehen konnten, was Schlagloch oder Pfütze ist. Dies führte dazu, daß einer unserer Mitfahrer den unbefestigten Randstreifen unterschätzte, zum Teil in den Graben rutschte und Hilfe beim Hinauskommen benötigte. Wir überholen einen Lastwagen am Straßenrand, dem die Ladung verrutscht ist und Tomaten, Milch und Wasserflaschen sind auf der Straße gelandet, die Jendarma (Miliz, Polizei?) haben Situation im Griff und bewachen die Ladung mit Gewehren. Wozu?

Der Versuch, in einem Dorf einzukaufen, ging fehl, es gab weder Milch noch Kaffee, Butter oder Tomaten. Es gab drei Verkäufer in einem kleinen Laden für Oliven, Öl, Bohnen und andere unverderbliche Lebensmittel und auch die zwei Läden daneben hatten nur das gleiche Angebot.

Um 15.30 Uhr sehen wir Jungs und Mädchen mit ihren Schuluniformen, Kostüm und Anzug, in die einfach Hütten zurückkehren. Nachdem wir ein verlassenes Haus besichtigt haben, fällt es uns schwer vorzustellen, wo in diesen einfachen Häusern mit den sehr kleinen Zimmern und den vielen Bewohnern die Schulkleidung aufbewahrt und gepflegt wird. Auch die Männer in den Dörfern und kleinen Städten tragen generell Anzüge.

Schließlich erreichten wir unbeschädigt Dogoubayasit, eine Stadt von 56.000 Einwohnern. Diese Stadt machte einen besonders ungepflegten Eindruck: Müll, Schrott - eben alles, was nicht mehr gebraucht wird, liegt vor den Häusern. Das Wort "aufräumen" scheint in der türkischen Sprache eine andere Bedeutung zu haben. Nach einem kurzen Einkauf suchten wir unserem Stellplatz am Hotel SIM ER fünf Kilometer in Richtung iranischer Grenze auf. Hier gab es sogar Strom, jedenfalls Steckdosen, doch die meiste Zeit war der Strom weg.

Am Abend lud Perestroika in das Hotel zum Essen ein. Dort trafen wir eine Gruppe von Greenpeece-Leuten aus Hamburg, die zusammen mit türkischen Greenpeece-Aktivisten eine Aktion zum G8-Gipfel in Warnemünde planen. Sie bauen ein Modell der Arche Noa (10 m lang), um es in 3000 m Höhe auf dem Ararat wieder aufzubauen, am Tage des Gipfels sollten dann 360 Tauben (Sinnbild für alle Völker) freigelassen werden.

Dogubayazit 11.05.07 (TR)

Den heutigen Ruhetag benutzten wir zur Vorbereitung auf den Iran. Die Iran-Kostümierungen wurden hervorgeholt. Heute Abend ist dann ein längeres Briefing.

Nachdem ich gestern noch mit dem Handy E-Mails abholen konnte, wollten mich die Türken heute nicht in Netz lassen. Vielleicht später?

Ich hatte endlich Ruhe zu versuchen, das Satellitentelefon an den Laptop anzubinden, doch die beiliegende Software ließ nur zu, das Telefon direkt über ein beiliegendes Kabel an einen seriellen COM-Port (RS-232) anzuschließen, den der Laptop nicht hat. Außerdem muß ich dann im Freien arbeiten, da das CarKit mit der Autoantenne dann nicht eingebunden ist. Das CarKit hat einen RJ11-Anschluß, deshalb bastelte ich mir ein RJ11-Anschlußkabel, doch ich scheiterte dann daran, daß der Laptop diesen Anschluß erkennt. Zu Hause konnte ich das leider nicht einrichten, da dort das SatTel nicht funktionierte. Mal sehen wie es weitergeht.

Am Vormittag besuchen wir die Greenpeece Leute, die keine 200 m von unserem Stellplatz entfernt einen Probeaufbau der Arche vornehmen. Der Rohbau der Arche sieht eindrucksvoll aus, später einmal, wenn die Arche zum Berg gebracht wurde und die Aktion erfolgreich war, wird sie zu einem Museum werden (zunächst sollte sie eine Unterkunft für Bergwanderer werden). Kameraleute aus Frankreich filmen den Aufbau der Schiffskonstruktion. Wir werden Zeuge einer heftigen Auseinandersetzung zwischen einem einheimischen älteren Choleriker und einer jungen türkischen Greenpeece-Frau. Ein junger Mann (geboren in Rußland, 300 km südöstlich von Moskau) der Sprachwissenschaften in Hamburg studiert hat, seit 15 Jahren in Deutschland lebt, völlig akzentfrei Deutsch spricht und eine Ausbildung als Tischler hat, erklärt uns den Zusammenhang. Eigentlich sollt die Arche auf dem Gebiet des Dorfältesten aufgebaut werden, der jedoch seine Zustimmung verweigerte. Die türkische Regierung hat dann ein anderes Grundstück dazu freigegeben. Nun mußte sein Einverständnis für den Pferdetransport der Holzkonstruktion für das Schiff über sein Land eingeholt werden. Eine lange und engagierte Diskussion führte dann doch zum Ziel. Greenpeece versichert uns, daß die türkische Bevölkerung der Aktion wohlwollend gegenübersteht, die Menschen hier fragen nach, wie weit die Konstruktion gediehen ist, im Internet-Cafe in der Stadt sind die Greenpeece Leute bekannt und werden freundlich begrüßt und der Tischler, der die Hölzer zum Platz transportiert hat, nahm kein Geld für den Transport um die Aktion zu unterstützen. Alles in Allem ein sehr gutes Gefühl! Unter Greenpeece Hamburg kann die Aktion im Internet betrachtet werden.


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