Entdeckerreise 2007: Auf den Spuren Marco Polos

Bericht 17: China - Hami, Dunhuang, Jiayuguan, Wuwei, Lanzhou



27.06.07 bis

Nach Hami (CHN)

04.07.07

Nach Lanzhou (CHN)


Nach Hami, 27.06.07 (CHN)

Glühende Hitze, endlose Weite, Berge am Horizont, Sand und Einsamkeit. So läßt sich die heutige Strecke von 400 km nach Hami charakterisieren.

Hinter Turpan erreichten wir unseren niedrigsten Punkt auf dieser Fahrt: -60 m! Danach stieg die Straße stetig an, sie windet sich durch kleine Hügelketten auf 500 m und ging in eine Kiesebene über. Rosinen und Melonen werden an der Straße verkauft.

In der Ferne flirrte die Hitze und gaukelte uns einen großen See vor, der sich beim Näherkommen als Fata Morgana erwies. Unmerklich steigt die Straße auf 1.300 m an und gibt den Blick frei auf einen Berg mit einer Schneekappe. Die Karte gibt an, daß er 4.925 m an, aber einen Namen hat der Arme nicht.

Unterbrochen wird die Kulisse von Oasen, in denen Weintrauben (die Xinjiang-Rosinen) und Baumwolle angebaut werden. Trockenhäuser für die Rosinen stehen zu Hunderten an den Hängen. Das sind Häuser, bei denen jeder zweite Stein fehlt, um den heißen Wüstenwind ungehindert hindurchstreichen zu lassen. Die ältesten sollen über hundert Jahre alt sein und sind aus luftgetrockneten Lehmziegeln gebaut, die neueren aus gebrannten Tonziegeln.

Auch hier in dieser unwirtschaftlichen Ödnis kehrten Straßenkehrer die 4.400 km weiten Straßen mit kleinen Besen und glätteten den Straßenrand mit Schaufeln zu einer akkuraten Kante.

Auf diesen 400 km kamen wir durch keinen Ort. Manchmal gab es, ähnlich wie im Mittelalter die Relaisstationen, eine kleine Ansammlung von Hütten, die meistens eine Auto- oder Reifenvulkanisierwerkstatt, manchmal aber auch eine Bar beinhalten.
Besonders interessant war es, zu beobachten, wie die Menschen ihre Betten vor der Werkstatt oder direkt an der Straße aufstellten. Es ist nach 10 Uhr und die letzten Matratzen wurden zusammengerollt. Und wenn kein Kunde kommt, dann kann man auch später ein Nickerchen machen …

Hier auf den letzten hundert Kilometern vor Hami kann man die Entwicklung der Perestroika-Marco-Polo-Touren beobachten. Mit Hochdruck ist eine vierspurige Autobahn in Bau, bis jetzt ist eine gut ausgebaute zweispurige Straße fertig, zum Teil muß als Umleitung noch auf die alte holperige Straße ausgewichen werden, an wenigen Stellen hält noch die alte Schotterpiste längst vergangener Berichte her. In spätestens zwei Jahren ist die Autobahn fertig, dann braust man über eine Rennstrecke und sieht von der Landschaft nichts mehr. Dann müßte diese Reise umbenannt werden in "Marco Polo Städte Tour!"

In Hami standen wir wieder komfortabel vor dem Hami Hotel im Schatten und haben es geschafft, daß die Temperatur im Womo auf 27° gesunken ist. Da läßt es sich bestimmt herrlich schlafen!

Nach Dunhuang, 28.06.07 (CHN)

Weiter führte uns unser Weg nach Südosten durch die Wüste. Eine flache Kieswüste stieg langsam auf 1.500 m Höhe zum Bei-Shan-Gebirge an. Dörfer? Fehlanzeige. Nach 200 km Xingxingxia. Es entpuppte sich als Ansammlung von Werkstätten, die die vielen oft abenteuerlich beladenen LKWs auch nötig hatten. Hier verbrachen wir unsere Mittagspause in der irrigen Annahme, daß man hier auch etwas einkaufen könnte.
Hier endet auch das Uigurische Autonome Gebiet Xinjiang und unser Local Guide kehrte nach Ürümqi zurück. Nun sind wir über 2.000 km durch Uigurien gefahren und haben nichts über diese Provinz erfahren. Also habe ich mich bei Wikipedia schlau gemacht:

Herausgebildet hat sich das eigentliche Uiguren-Volk erst seit dem 4./5. Jahrhundert aus der Verschmelzung früherer turko-mongolischer Gruppen

Das Großreich der Uiguren entstand in der heutigen Mongolei (745-840). Nach dem Niedergang ihres Reiches wurden die Uiguren durch die Kirgisen in alle Richtungen zerstreut. Das Gros der Uiguren gründete jedoch zwei kleinere Staaten im heutigen Xinjiang (856) und in der heutigen Provinz Gansu. Die Uiguren wurden nun endgültig sesshaft, vermischten sich mit ihren Nachbarn in einer Stadtkultur und lehnten eine Rückkehr in die mongolische Steppe ab.

Etwa zur Mitte des 13. Jahrhundert setzte sich der Islam bei den Uiguren im heutigen Xinjiang durch (1252/5 Anklage und Hinrichtung des buddhistischen Herrschers Idiqut Salendi wegen nachgewiesener "Islamfeindlichkeit").

Die Muttersprache der Uiguren ist die Uigurische Sprache. Seit 1949 stieg der Einfluss Pekings in Xinjiang und seit den sechziger Jahren wird dort die Ansiedlung von Han-Chinesen gefördert. Der Anteil der Han-Chinesen an der Gesamtbevölkerung in der Region stieg von zehn Prozent (1955) auf knapp 50 Prozent (1994), bei einer Einwohnerzahl von insgesamt 16 Millionen. Die knapp sieben Millionen Uiguren stellten somit bereits 1994 nicht mehr die Bevölkerungsmehrheit der Autonomen Region Xinjiang Uygur in der Volksrepublik China.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker hat die Uiguren in die Liste der bedrohten Völker aufgenommen.


Angaben über Wirtschaft, soziale Belange, politische Gegebenheiten muß ich mir zu Hause noch aus dem Netz ziehen.

Das Bei-Shan-Gebirge war genauso wildromantisch wie wir es nun mittlerweile auf unserem Weg durch die Wüste gewohnt sind. Der Ausblick auf die Ebene von Dunhuang war wie der Blick auf ein Meer. Die Tamarisken in der Salzwüste gaukelten uns vor, daß vor uns der Ozean beginnt. Doch es war eine trockene Salzwüste. Die Bauern haben es geschafft, der Wüste einen breiten Gürtel zu entreißen und ihn in ein fruchtbares Paradies verwandelt.

Wir standen am Dunhuang International Hotel in der prallen Sonne, sporadisch sorgte der der Springbrunnen neben uns für eine kurze Luftverbesserung. Wir konnten nur auf den Abend warten und hoffen, daß er Kühle (oder weniger Hitze) bringt.

Dunhuang, 29.06.07 (CHN)

Bereits im Jahre 111 v. Chr. wurde Dunhuang vom Kaiser Wudi der westlichen Han-Dynastie gegründet. Aufgrund ihrer Lage an der alten Seidenstraße spielte sie eine wichtige Rolle im Kultur- und Warenaustausch mit dem Westen. So breitete sich der Buddhismus ausgehend von Dunhuang in China aus. Im Jahre 366 wurde der Bau der Mogao-Grotten begonnen und bis ins 14. Jahrhundert fortgeführt.

Die Mogao-Grotten
Mogao ist eine Flussoase an der Seidenstrasse, ca. 25 km entfernt von Dunhuang (Provinz Gansu). Hier haben buddhistische Mönche zwischen dem 4. und dem 12. Jahrhundert etwa 1000 Höhlen in die Sandsteinfelsen geschlagen und mit buddhistischen Motiven (Buddha-Statuen, Skulpturen und Wandmalereien) verziert. 492 dieser Höhlen sind heute noch erhalten und zum Teil für Touristen zugänglich. Im Jahre 1900 entdeckte ein daoistischer Mönch rund 50.000 Dokumente aus dem 4. bis 11. Jahrhundert, die Mönche im Jahre 1036 in einer Höhle eingemauert hatten, um sie vor den heranstürmenden Mongolen zu schützen. Viele dieser Dokumente befinden sich heute im Besitz des Britischen Museums in London. 1942 wurde die Dunhuang-Akademie gegründet, um die Höhlen zu schützen und systematisch zu konservieren. Seit 1987 zählen die Mogao-Grotten zum Weltkulturerbe.

Die Grotten sind beeindruckend. In der ersten Grotte befindet sich ein 35 m hoher Buddha, der mitsamt der Grotte in /aus dem Fels gehauen wurde. Ein weiterer Buddha ist 26 m hoch. Ein liegender ist 15 m lang. Weitere Statuen umgeben die Buddhas, dazu sind die Grotten ausgemalt mit Geschichten und Allegorien. Ein einzigartiges Erlebnis!

Ca. 5 km südlich von Dunhuang befindet sich ein Gebiet mit bis zu 300 m hohen Sanddünen. In diesen liegt der Mondsichelsee/Yueya-Quelle, eine durch den Sand bedroht wirkende Wasserstelle. Dieses Gebiet wird touristisch vermarktet. Wir ritten auf Kamelen in die Dünen zu den singenden Bergen, die so heißen, da das Herunterunterrodeln auf einem Holzbrett einen singenden Ton erzeugen soll. Ein schöner Nachmittag.

Hier in Asien wird erwartet, daß man bei allem, was man kauft, handelt. Langsam kriegen wir das das hin. Ich habe einen Sonnenbrillenaufsatz (meine 200 Euro-Gleitsichtbrille aus Wildeshausen taugt nichts) von 50 Yuan (5 Euro) auf 20 Yuan heruntergehandelt. Beim Bezahlen wurde ich von dem Mädchen regelrecht beschimpft. Ob das auch dazugehört? Auf jeden Fall eine neue Erfahrung.

Dunhuang, 30.06.07 (CHN)

Heute war wieder ein Haushaltstag. Um mich herum wurde geputzt und geschrubbt und das mit dem Bewußtsein, daß es morgen wieder auf Tour geht. Einen großen Raum nahm die Jagd nach Brot ein. Gab es bei den Uiguren an jeder Ecke Brot, wird es nun im klassischen China schwer. Die Chinesen essen kaum Brot und wenn man was findet, ist es lappiges Toastbrot. Aber wir wurden fündig, auch wenn wir weit dafür laufen mußten.

Das Highlight dieses Ortes ist für mich Liu Daqian, ein Maler, der wunderschöne alte Szenen auf Seide bannt, aber auch T-Shirts mit Motiven der Gegend bemalt. Ich wolle einen Drachen haben, aber sein mageres Englisch kannte keinen dragon. Also suchten wir aus Fantasy-Büchern, Reiseführern und Chinaromanen alle Drachenbilder heraus und die führten bei ihm zu einer Erleuchtung und mit wenigen Strichen skizzierte er einen herrlichen Drachen. Daraufhin fing er an zu malen und auf dem T-Shirt entstand der schönste Drache, den ich je gesehen habe.

Heute Abend war wieder ein Perestroika-Essen, zum wir uns abgemeldet hatten. Die zwei Tage Enge auf dem Platz erfordern schon ein ganze Menge Toleranz und der Vergleich mit einer mittelalterlichen Stadt sind treffend. Wir genießen die Ungestörtheit. Ich konnte in aller Ruhe meinen Bericht fertigstellen.

Für sogenannte Tage zur freien Verfügung wünsche ich mir ein wenig mehr Platz, als ihn enger Parkplatz bietet.

Doch die Ruhe hielt nicht lange, ein Sturm kam auf, der den Sand von den Dünen herüber wehte und auch unsere Gruppe schneller als gewollt zurückblies, um die Auto zu schließen. Bald war der Spuk vorüber und machte etlichen Regentropfen Platz, die uns aber nicht vertreiben konnten.

Nach Jiayuguan, 01.07.07 (CHN)

Laut Karte haben wir das Tarimbecken mit der Taklamakan jetzt durchquert und kommen zum Qinlian-Shan-Gebirge, das bis Lanzhou den südlichen Rand der Wüste Gobi bildet.

Die Sonne ließ uns heute im Stich, der Himmel blieb grau. Als erstes der morgendliche Tankstop. Dann die Hiobsbotschaft: Wagen 11 (Mercedes) hat Probleme mit der Automatik, keine Anzeige im Display, nur Fahren im 2. Gang ist möglich. Irgend etwas mit der Elektrik muß nicht in Ordnung sein. Weiterfahren sinnlos, also zurück zum alten Stellplatz und Werkstatt suchen. Wagen 15 begleitete ihn. Wir Anderen fuhren weiter. Der Dunst blieb den ganzen Tag über, zu sehen war nichts. Wir fuhren auf einer endlosen Ebene, nur Wüste, die auf beiden Seiten im Dunst verschwand. Wir merkten nur am GPS, daß wir uns langsam 1.800 m näherten. Die Autobahn war so gut ausgebaut und der Verkehr so dünn, daß wir gut voran kamen. Erst an der Mautstelle merkten wir, warum die Straße so leer ist: 116 Yuan (11,6 €) sind hier eine Menge Holz!

Da auf Grund mangelnder Sicht nichts zu berichten ist, habe ich noch einiges nachzutragen:

Wir fahren jetzt schon 8 Fahrtage ohne Funk und es funktioniert gut. Auch in den Städten. Das hat vor Allem darin seinen Grund, weil die Chinesen wesentlich disziplinierter fahren als alle Länder bisher, einschließlich Europa! Sie drängeln sich nicht vor das Auto, versuchen uns nicht abzudrängen. Das geht sogar so weit, daß sie warten bis der Konvoi vorbei ist. Wir beten zu allen chniseischen Göttern, daß das auch so bleibt!

Heute haben wir gehört, daß unsere Funkgeräte bei den mongolischen Partnern in Ulan Bator eingetroffen sind. Sie werden uns an der Grenze zur Eisenbahnverladung bereit stehen!

Es bleibt noch einiges zur Pannenstatistik nachzutragen, was mir bisher durch die Lappen gegangen ist: Wagen 2 hat einen Riß quer durch die Frontscheibe, auch Wagen 7 hat einen recht langen Knacks in der Scheibe und Wagen 6 hat der Sandsturm in Turpan ein Dachfenster abgerissen.

So ergibt sich folgende Schadenstatistik (kumuliert):

was Ort Folgen / Maßnahmen Wagen
1 Reifen Teheran  
15
Batterieladegerät Teheran Neues aus D eingeflogen
5
1 Abdrängen an die Leitplanke Ausfahrt aus Teheran Kuhfänger verbogen, dicke Schramme an der Seite
15
Hergang nicht bemerkt Ausfahrt aus Teheran Dicke Schramme an der Seite
4
1 Reifen Ashgabat Metallventil eingebaut
11
1 Reifen Tashkent (Gummiventil) Metallventil eingebaut
11
1 Reifen läßt Luft UZB-Grenze, Samarkand Alle zwei Tage 1 bar nachfüllen
5
Kühler undicht Tashkent Ausbau und löten lassen
Diesel-Vorheizung Tashkent Ersatzteil aus D eingeflogen
3
1 Reifen Fergana Flicken lassen
15
Wasserpumpe defekt Fergana Neue eingebaut
1
1 Reifen zerfetzt, Felge defekt Kashgar Neuer Reifen, keine Felge
11
Bremsleitung zerrissen Kashgar repariert
11
verliert Kühlwasser Kashgar Kühlwasserleitung durch Steinschlag defekt - erneuert
3
verliert Kühlwasser Kashgar Kühler durch Steinschlag defekt - gelötet
6
Riß in der Frontscheibe   notdürftig abgeklebt
2
Riß in der Frontscheibe
 
  -
7
Dachfenster abgerissen Turpan zugeklebt
6
Motor läßt sich nicht abschelten, nur abwürgen Turpan Schlauch vom Unterdruckzylinder ab
14
Automatikgetriebe schaltet nicht Turpan   ?
11


Jiayuguan, 02.07.07 (CHN)

Der heutige Tag gehörte dem Besuch der Festung Jiayuguan. Sie markiert das westliche Ende der Großen Mauer.

Die Chinesische Mauer erstreckt sich vom Jiayuguan-Pass in der Provinz Ganzhou im Westen bis nach Chinwangtao am Golf von Chihli (Po Hai) im Osten. Die Hauptmauer erreichte eine Länge von rund 2.400 Kilometern. Die Gesamtlänge wird auf 6.000 km geschätzt.

Der Jiayuguan-Pass ist nicht als Paß, vielmehr als Passierstelle zu verstehen, die alle Reisenden der Seidenstraße auf ihrem Weg in das chinesische Reich passieren mußten. Die Festung wurde restauriert, so daß man einen guten Eindruck der Anlage erhält. Der Reisende mußte warten, bis er die offizielle Genehmigung aus Peking zur Einreise erhielt. Uns reicht ein kurzer Besuch, wir haben die Genehmigung bereits.

Hier besuchten wir auch die Hängende Mauer (Xuan Bi). Sie ist hier nicht so mächtig wie bei Peking, aber es ist der höchstgelegene Abschnitt der Mauer mit über 1.700 m. Sie wurde 1987 renoviert und sieht wie neu aus. Von dort hat man einen grandiosen Blick in die Wüste Gobi.

Auf dem Stellplatz ankommen sind es immer wieder die gleichen Fragen, die uns bewegen: "Wo bekommen wir Wasser, wo sind die Duschen?" und "Wo bekommen wir Brot, Obst und Gemüse her?". Man kann daran sehen, wir haben unsere Bedürfnisse bereits auf Grundbedürfnisse reduziert: Ein Dach über dem Kopf führen wir bereits mit uns, die Nahrung müssen wir uns verdienen. Also geht es los, die Nase in den Wind halten und sehen, welche Ecke oder Straße sieht so aus, als könnten dort normale Menschen ihren täglichen Einkauf erledigen. Heute haben wir besonderes Glück, von unserem Parkplatz zweimal nach links und ich finde eine schmale kleine Gasse. Sie beherbergt den täglichen Markt. Mittags ist die Straße noch leer. Schnell sind winzige Klapphöckerchen aufgestellt und in mehr als 20 Gruppen von 4 bis 10 alten Menschen wird gespielt!! Es ist wunderschön anzusehen. Es werden Karten gespielt und ein schönes Brettspiel mit dicken runden Steinen. Leider können wir die Regeln nicht verstehen. Einen alten Mann sehe ich mit einem Jojo, wenn er schnell genug das Jojo kreisen läßt, gibt es einen singenden Ton von sich. Schon möchte ich auch mit 80 Jahren noch Jojo auf der Straße spielen. Eine alte Dame massiert eine andere, Schuhe werden mit der Nähmaschine, die auf der Straße steht, gepflickt. Es werden selbst eingetopfte und schön gezogene Pflanzen verkauft. Am Nachmittag geht es dann los. Dreiräder und kleine Fahrzeuge kommen an, beladen mit Gemüse und Obst, ein Händler bietet Tofu an, ein anderer selbst gezogene Sprossen aus Mungobohnen und Sojabohnen. Wir kennen das Gemüse, die vielen Kräuter und das angebotene Obst zum großen Teil nicht und haben uns heute vorgenommen, wir kaufen von jedem Teil, das wir nicht kennen ein Stück und probieren es dann. Entweder man kann es roh essen oder wir werden es im Wok braten. Was macht ein solcher Einkauf Spaß: Zunächst suche ich mir einen freundlichen Verkäufer/Verkäuferin aus. Meistens die Menschen, die mich schon anlächeln. Dann mache ich ein Foto und zeige es dem Verkäufer. Wieviel Spaß haben wir so. Alles lacht, die Verkäufer und Kunden von den anderen Ständen wollen das Bild auch sehen, und lachen noch einmal. Die Menschen fühlen, daß sie es wert sind, fotografiert zu werden und freuen sich sehr, einfach schön. Dann lasse ich mir erklären, wie man das Obst oder Gemüse schält oder auch nicht, Mißverständnisse sind eingeschlossen, das gehört einfach dazu. Meistens muß ich dann noch irgend etwas anderes probieren oder bekomme zum Abschied Kräuter oder Gewürze geschenkt. Danach gehe ich weiter. Auf dem Rückweg wird mir von überall, wo ich war, gewunken. Ein tiefes Erleben. Ein Dreirad macht mich besonders neugierig. Uns wurde gesagt, die Chinesen vertragen keine Milch und Milchprodukte. Es sollte also keinen Joghurt und keine Milch geben. Weit gefehlt, die Milch wird hier vom Fahrrad aus verkauft, die Tüten sind 200 ml und sie schmeckt wunderbar. Der Joghurt ist auch sehr lecker und wird oft mit Rosinen und Erdnüssen gegessen. Also wieder einmal hatten wir im Vorfeld Fehlinformationen und haben uns vergebens Trockenmilchpulver aus Deutschland mitgenommen. Schön, daß die Chinesen doch Milchprodukte schätzen.

Wieder am Wohnmobil angekommen wird das Obst probiert und das Gemüse im Wok zu einem herrlich schmeckenden chinesichen Essen verarbeitet. Wir sind sicher, wir könnten mit unserem Essen den Garküchen Konkurrenz machen. Ein aufregender Abend mit vielen schönen Erlebnissen geht zu Ende. Kein Wunder, daß wir sehr müde sind und nach so vielen Erlebnissen und Eindrücken jeden Abend sofort einschlafen sowie der Kopf das Kissen berührt.

Nach Wuwei, 03.07.07 (CHN)

Morgens um 8 Uhr waren nur wenige Autos auf den Straßen von Jiayuguan. Wir fuhren am Rand des Quinlian Shan Gebirges und sahen den Gipfel des Quilian Shan mit 5.645 m neben einer langen Reihe weißer Gipfel. Allein 6 Gipfel sind über 5.000 m sowie fünf weitere über 4.600 m hoch. Links von uns erstreckt sich die Autonome Region Innere Mongolei mit der Wüste Gobi, die wir aber nur ahnen, da sie von einer niedrigen Hügelkette verdeckt wurde.

Bei Zhangye kreuzt die Autobahn die Große Mauer, ein Grund für einen Fotostop. Es ist schon beeindruckend, ´zig Kilometer neben der Mauer herzufahren. Hier ist sie noch im Originalzustand, dem Zahn der Zeit unerbittlich ausgesetzt.

In der Oase Zhangye begleiteten uns wunderschöne Felder von Zwiebeln, Hirse, Baumwolle, gesprenkelt von Sonnenblumen und bunten Blumenfeldern. Doch schon nach kurzer Zeit hat uns der südliche Rand der Gobi wieder eingeholt und Dünen und endlose Weite begleiteten uns.

Heute lag einen Mammutroute von 470 km vor uns, fast nur Autobahn. Beim Einchecken an der Mautstelle war die Kontrolleurin verwirrt, weiße Nummernschilder hat nur das Militär und das zahlt nichts. Daß auch unsere chinesischen Schilder weiß sind, machte ihre Entscheidung nicht leichter. Schließlich rang sie sich zu einem Tarif durch und der kostete uns nach 400 km 203 Yuan (20€).

Auf dieser Strecke konnten wir sehr eindrucksvoll sehen, wie die Autobahn die Ansiedlungen an der bisherigen Straße kaputt macht. Da die LKWs nicht mehr halten können, ein Zaun und fehlende Parkbuchten verhindern es, ist ihnen die Lebensgrundlage entzogen worden.

Wir haben noch drei Funkgeräte, die wir nicht abgegeben hatten, da sie überzählig waren. Diese wurden nun an das erste, letzte und mittlere Fahrzeug illegalerweise verteilt. Dies soll einigen die Angst vor der 11 Millionenstadt Peking nehmen.

Wuwei ist nur ein Etappenziel und laut Reiseführer ("zwar kann die Stadt mit einer über 2.000 Jahre alten Geschichte aufwarten, für den Seidenstraßenreisenden lohnt ihr Besuch nicht, von der einstigen Bedeutung ist nichts übrig") werden hier auch nichts versäumen.

Unser Stellplatz auf dem Hinterhof eines Hotels ist laut, sehr eng und dreckig. Wie immer sind es die Küchenjungen, die sich buchstäblich die Nase platt drücken, um auch alles mitzubekommen, was in unserem Wohnmobil geschieht: was wir kochen, wie wir essen, wie wir sitzen oder wie oft wir zur Toilette gehen, alles ist im Interesse der "Öffentlichkeit". Nachdem ich ihnen unser herrliches Essen aus dem Wok (unbekanntes, aber sehr gutes Gemüse vom Markt mit Austernpilzen) zeige, geht der Daumen der anwesenden Herren nach oben, wir haben in ihren Augen bestanden. Heute abend ist die Neugierde der Anwesenden besonders anstrengend: außer den jungen Männern aus der Küche sind es auch noch die Männer, die irgend etwas zusammenschweißen und die Frauen und jungen Mädchen, die im Hotel bedienen. Etwa 30 Personen belagern unseren Alltag regelrecht und gehen auch oft ohne zu fragen in unser Wohnmobil um besser alles sehen zu können. Die Nerven sollten in Ordnung sein, um solche Stellplätze zu akzeptieren. Wir haben keinen Platz, auch nur einen Stuhl hinauszustellen und gehen deshalb lieber noch einmal in die Einkaufzone um die Ecke (nach westlichem Stil voll junger Menschen) um uns bei einem Bier (1,5 Liter in einem kleinen Plastikfäßchen für 1 Euro), das aus Schnapsgläsern getrunken wird, zu erholen. Wir treffen dort Ad und Brigitta und werden von diesen eingeladen. Als wir zu unserem Stellplatz zurückkommen, hat sich das erste Staunen etwas gelegt und wir sind so müde, daß wir nach dem obligatorischen Duschen (2 Duschen für 28 Personen, laut Reiseleiter also 7,5 Minuten pro Person zum Duschen) ins Bett fallen und uns von dem lauten Singen der Angestellten um Mitternacht kaum stören lassen.

Nach Lanzhou, 04.07.07 (CHN)

Der Tag beginnt, wie die Nacht aufgehört hat, mit leichtem Dauerregen. Alles ist grau, die Landstrasse erwartet uns, die Autobahn ist zu Ende. Von der Polizei werden die Straßen für uns frei gehalten, wer hat sie wohl informiert? Wie in allen Städten begleiten gepflegte Grünanlagen mit Bäumen und weitgehend autoleere Straßen unseren Weg aus der Stadt. Wir erwarten keine aufregende Strecke, weil wir keine Informationen haben - und sind dann schnell begeistert. Fast unmerklich steigt die Straße von 1.600 bis auf 2.986 Meter. Eine völlig unspektakuläre Strasse und schon sind wir auf einer weiten Hochebene zwischen 2.200 und 2.700 Metern. Die Luft ist kühl, klar und sauber und wir können uns vorstellen, wieso die Menschen hier älter werden als in der Stadt. Wir sehen viele schöne kleine Dörfer auf dieser Hochebene. Salat, Zucchini sind in den Gewächshäusern, Kartoffeln und Korn auf den Feldern. Die Arbeit in der Landwirtschaft wird in China vor allem von Frauen gemacht, da die Männer in den Städten Arbeit suchen oder zu den 1.500 Millionen Wanderarbeitern gehören. Die schwere Arbeit auf den Lößböden, Geldsorgen und die alleinige Verantwortung für die Kinder führen dazu, daß viele Bäuerinnen keinen Ausweg mehr sehen und Selbstmord begehen.

Für uns ist die Strecke jedoch weiterhin romantisch, zwischen den Kornfeldern wirken einzelne Bäume wie eingestreut, es erinnert uns an Schweden. Hier wachsen die verschiedensten Bäume, wir sehen kleine Birken und Tannenwälder, die Baumgrenze ist bei 2.500 Metern. Zwischen tiefen Schluchten aus Sandstein und Löß befinden sich terrassenförmige Felder und wir sehen zum ersten Mal Felder mit Lein. Zu Hause hatten wir drei Leinpflanzen in blau und eine in weiß, und freuten uns an den schönen Blüten. Jedoch waren nicht vorbereitet, wie schön ganze Felder aus Lein blühen; hier sind die kleinen Felder wie blaue Tupfen zwischen den Bergen verteilt, die Farbe des Bodens geht von gelb über hell- und dunkelocker bis rostrot. Später sehen wir bei der Abfahrt aus der Hochebene, dass aus allen diesen warmen Farben Ziegel gebrannt werden (jetzt industriemäßig) und wir können uns die Häuser aus Ziegeln in diesen Farben sehr gut vorstellen.

Schnell kommt dann die Einfahrt in die Millionenstadt Lanzhou mit 2,8 Mio. Einwohnern. Sie ist eine moderne Industriestadt, liegt im engen Tal des Huang He Flusses (Gelber Fluß) und zieht sich fast 40 km lang hin. Zunächst begleiten uns Industrieanlagen, dann Hochhäuser und Einkaufsstrassen. Da die Autos hier noch relativ langsam fahren, geht die Fahrt zu unserem (wieder) Hotelparkplatz gut. Wir stehen wieder sehr eng auf diesem Parkplatz und es wiederholt sich das Staunen der Menschen. Auch unsere Geduld ist wieder gefragt. Einige besonders nette (junge und alte Frauen und Kinder), laden wir ein, unser Mobil zu besichtigen, für alle Interessierten reicht unsere Geduld nicht.

Und dann kommen Manfred und Raimund. Sie sind von Dunhuang in einem Fast-Non-Stop-Ritt hinter uns her gerast. Manfreds automatisches Getriebe ist wieder voll funktionsfähig. Was ist abgelaufen: Im zweiten Gang ist Manfred in Begleitung von Raimund und unserem Pekinger Guide Herrn Xing zu unserem Hotelstandplatz in Dunhuang zurückgefahren. Dort haben sie die Sitze rausgebaut, Verkleidungen abgerissen, um die Kabel zu verfolgen und gemessen und gemessen … Den Fehler haben sie nicht gefunden.

Irgendwann bot der Hotelmanager seinen Hauselektriker an, den Manfred zurückwies. Was sollte der helfen! Aber als der Hotelmanager hartnäckig blieb, auf Rückfrage von Manfred bestätigt wurde, daß das der Mensch sei, der Sicherungen wechsle, gab Manfred nach, um den Manager zufriedenzustellen. Der Elektriker kam mit einem großen Koffer, schaute sich den Adapterstecker für die Elektronik im Wohnmobil an, kramte dann aus seinem Koffer ein Kasten mit einem Adapterstecker heraus, verschwand kurz, um ein fehlendes Kabel zu holen und dockte dann einen Laptop (auch aus dem Koffer) per Funk an den Analysestecker an. Schnell war auf dem Laptop in der Liste der Automarken Mercedes gefunden, der Autotyp ebenso. Die Analyse ergab acht Fehler, die er per Software abstellte. Dann hieß es Probefahrt und alles war ok. Manfred konnte weiterfahren. Ein Verfrachten des Womos per LKW nach Lanzhou zu einer Mercedes-Werkstatt erübrigte sich und er war mit 500 € noch glimpflich davongekommen! Wer war der Elektriker? Da hatten sich mehrere Hotelmanager zusammengeschlossen um eine Autoelektronikfirma zu gründen, gemeinsam dieses Equipment beschafft und dieser "Elektriker" führte nun den ersten Auftrag durch. Clevere Geschäftsidee!

Schön, daß die beiden Wagen wieder bei uns sind!



[Zur Tagebuchübersicht] [Zurück zur Reiseübersicht] [Zurück zur Startseite]