Entdeckerreise 2007: Auf den Spuren Marco Polos

Bericht 13: Usbekistan - Isyk-Kul See zum Torugart-Pass



11.06.07 bis

Zum Isyk-Kul See (KIG)

14.06.07

Bis zum Torugart-Pass (KIG)


Zum Isyk-Kul See, 11.06.07 (KIG)

Die Strecke zum Isyk-Kul See sollte nur 200 km betragen, so daß wir den kurzen Abstecher zu den Ausgrabungen von Burana machen konnten. Burana war im 10. bis 12. Jahrhundert einer der Hauptstädte des Karakhanidenreiches und wurde im 13. und 14. Jahrhundert allmählich aufgegeben und verfiel. Sehenswert für mich ist nicht der restaurierte 24 m hohe Stumpf eines Minaretts, sondern die Balbals, Steinfiguren, die aus dem Cu-Tal, vom Isyk-Kul und anderen Orten Kirgisiens stammen. Die Gesichtszüge der Skulpturen sind sorgfältig gestaltet und man nimmt an, daß es die Bildnisse getöteter Feinde sind.

Nun hielt uns nichts mehr auf, zu unserem Badeurlaub an den Isyk-Kul See zu fahren. Auch das immer schlechter werdende Wetter, der nachtschwarze Himmel vor uns und Regen konnte nicht stoppen. Viel sahen wir nicht von dem immer enger werden Tal, das uns langsam auf 1.600 m hoch brachte. Bei Sonne wären sicher imposante Felsen und Farben zu sehen gewesen, so waren sie nur zu ahnen.

Nach einem Eintritt von 10 Euro als Ökologieabgabe konnten wir bei Toru-Aigyr unseren Platz am See beziehen. Dieses ehemalige Erholungsgebiet (oder funktioniert es noch?) weißt einige Hütten auf, ein Restaurant, in dem man nur nach langer Vorbestellung Essen bekommt. Aber am Abend dröhnt die Musik!

Am Isyk-Kul See, 12.06.07 (KIG)

Diese Nacht strafte der Sommerfrische Lügen, es regnete permanent, auch Donner fehlten nicht. Heinrich hat hier so ein Wetter noch nicht erlebt. Heute Morgen war den der Himmel entsprechend wolkenverhangen und die gewaltige Bergkette nicht zu sehen.

Heute hat Rosi Geburtstag. Wir trafen uns an ihrem Wagen, obwohl - oder gerade weil - es unser freier Tag war, um ihr ein Ständchen zu bringen. Sie hatte Schnittchen zu einem Wodka vorbereitet und wir klönten eine Weile. Dann wurde von Karlo der Vorschlag gemacht, sich zusammenzusetzen, um die Krise in der Gruppenmoral zu bewältigen. Er meinte, der Homo Sapiens sei wie ein Eisberg, die 7/8 Emotionen unter der Oberfläche müßten doch durch das 1/8 Verstand zu kontrollieren sein, schließlich sei doch bei Allen 2 x 2 = 4. Wo er das wohl gelernt hat? Heinrich fragte ihn, ob er Politiker gewesen sei. Ich habe mich dieser Versammlung ferngehalten. Nach dem Aufwärmen der alten Kamellen, was Keinem nützt, wurde beschlossen, nach vorne zu schauen. Ist ja eine gute Idee, wenn man auch beschlossen hätte, mal ein wenig toleranter zu sein und sich nicht gleich aufzuregen, wenn mal einer beispielsweise die Gruppenreihenfolge nicht einhält, die sowieso bei jedem individuellen Fotostop im Eimer ist. Jetzt sind wir erst knapp sieben Wochen unterwegs, da ist noch einiges zu erwarten!

Das Wetter versucht sich bessern, die Sonne schafft es ab und zu, die Wolken zu durchdringen. Wir stehen an dem östlichen Zipfel des Sees und machen uns bei Wikipedia schlau: Der Isyk-Kul (kirgisisch "heißer See") ist der größte See in Kirgisistan (Zentralasien). Nach dem südamerikanischen Titicacasee ist der im Tienschangebirge liegende See mit 6.236 km² Fläche (Bodensee: 536 km²) der zweitgrößte Gebirgssee der Erde. Er ist 178 km lang, 60 km breit, bis 702 m tief (Bodensee: 254 m) und liegt 1.609 m über dem Meeresspiegel. Man nennt den See auch das "Herz des Tienschan". Nördlich des Sees liegt die Bergkette des Kungei-Alatau. Südlich des Sees hingegen befindet sich die Kette des Terskej-Alatau. Der Isyk-Kul gefriert trotz einer Lufttemperatur von bis zu -40 °C im Winter nie. Der See besitzt mehr als 80 Zuflüsse, aber keinen Abfluss. Über längere Zeiträume schwankt der Wasserspiegel deshalb durch lokale Klimaveränderungen stark.

Natürlich haben wir zu baden versucht, nachdem gestern Abend die Ersten so begeistert in die Fluten gesprungen sind. Doch 18° Wassertemperatur haben meine Begeisterung doch schnell abgekühlt. Die Sonne gewinnt immer mehr die Oberhand und im Süden schauen schon die Gipfel des Tienshan über den Wolken heraus, leider zieht ein neues Gewitter von Westen heran. Wenn wir morgen über den Tienshan fahren, hoffen wir, das Wetter an den Gipfeln zurückzulassen.

Es war geplant, ein paar Tage länger hier zu bleiben und entsprechend später nach China einzureisen, doch wir müssen am Freitag die Grenze passieren, da sie Samstag / Sonntag geschlossen sein soll.

Am Abend war ein Perestroikaessen in der Kantine des Kindergartens der Ferienanlage. Es wurde überschattet von hinter vorgehaltener Hand geflüsterter Botschaft, daß Peter und Annette die Gruppe verlassen hätten und nach Hause zurückkehren. Mir schmeckte das Essen nicht mehr und es war erstaunlich zu sehen, mit unschuldigen Miene alle dasaßen und nach außen gute Miene machten.

Nach dem Essen waren die Beiden wieder da, Peter hatte das kirgisische Gruppenvisum in seinem Paß, es sollte erst geklärt werden, wie jeder über die Grenze kommt.

Nach Saly Bulak, 13.06.07 (KIG)

Heute morgen war wieder Besprechung, das Verhältnis von Peter und Annette zu zwei anderen Gruppenmitgliedern wurde angesprochen, die natürlich unschuldig wie neugeborene Lämmer waren und ihre Unschuld immer noch betonten, als Peter endgültig abgefahren war. Daß keiner begreifen will, daß es bei einer Trennung, sei es von Eheleuten, Freunden oder innerhalb einer Gruppe nie nur einen Schuldigen gibt! Es wurde mal wieder beschlossen, nach vorn zu schauen und mit der Widerkäuerei aufzuhören, was natürlich nicht passierte.

Von Manfred hörten wir nur, daß er in Düsseldorf einer Notoperation unterzogen worden sei und auf der Intensivstation liege.

Endlich konnten wir losfahren. Es ging nach Süden in Richtung zu den Schneegipfeln des Terskej-Alatau, eines Teils des Tienshan-Gebirges.

Das Tienshan-Gebirge ("Himmelsgebirge"), das sich über das Staatsgebiet von China, Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan erstreckt, liegt westlich und nördlich des Tarimbeckens, östlich der Kysylkum Wüste, südöstlich der Kasachischen Schwelle und südlich des Hochbeckens von Dsungaristan. Im Südwesten schließt sich, getrennt durch das Ferganatal, die langgestreckte Gebirgskette des Alai an. Das Tienshan zweigt in Afghanistan nach Norden von den Höhenzügen des zentralasiatischen Massivs ab und verläuft von dort aus annähernd in Ost-West-Richtung bis weit nach China hinein, wo es in den Ebenen der Wüste Gobi endet. Der Tienshan ist rund 2.500 km lang, etwa 400 km breit und bedeckt zirka 1.036.000 km² Fläche, davon 6 % Permafrostboden und 1 % Gletscher. Die höchsten Berge des Tienshan sind Pik Pobeda ("Gipfel des Sieges") 7.439 m und Khan Tengri ("Herr der Geister") 6.995 m. Zwischen den Bergketten des Kungei-Alatau und des Terskej-Alatau liegt auf 1609 m Höhe der Hochgebirgssee Isyk-Kul. Auf der Südseite des Gebirges verläuft die Seidenstrasse.

Das Wetter spielte mit und bescherte uns einen strahlend blauen Himmel. In Kochkor machten wir Halt, um auf dem Basar für die kommenden Tage einzukaufen. Dabei lernten wir eine Firma kennen, die Community Based Tourism (CBT) Kyrgyzstan ( www.cbtkyrgyzstan.kg ), die ein Büro in Kochkor betreibt, das interessante Touren anbietet ( www.cbzkochkor.com ).

Weiter ging es stetig bergauf in die Einsamkeit. Keine Dörfer, keine Jurten, keine Herden. Spärliches Grün versuchte die harten Felsformationen aufzulockern. Die Straße paßte sich der Landschaft an und präsentierte Schlagloch an Schlagloch zu tiefen Längsrillen. Die Schneegipfel kamen uns näher. 5 km hinter der Häuseransammlung Sary-Bulak machten wir Halt auf einem ehemaligen Straßenabschnitt. Ein Übernachtungsplatz wie für uns gemacht - jedenfalls für die, die ihr autarkes Mobil auch mal nutzen wollen. Die anderen werden vergeblich nach dem Schlüssel zu der Dusche suchen.

Der Nachmittag wurde von den Meisten mal nicht mit Hausarbeiten verbracht. Einige stiegen auf die uns umgebenden Berge, andere lagen in der Sonne und lassen. Schließlich befinden wir uns auf 2.760 m Höhe und sollen uns langsam an die Höhe gewöhnen. Übermorgen erwarten uns 3.752 m am Torugart-Paß!

Am Abend setzten wir uns zusammen, um die 5 Liter Bier zu vernichten, die Rosi von den Guides zum Geburtstag erhalten hatte

Ein koreanisches Fernsehteam in drei Jeeps auf Eurasientour, die einen Bericht über die Seidenstraße drehen wollten, sorgte für willkommene Unterbrechung. Sie sind in Peking gestartet und wollen nach 100 Tagen in Istanbul sein. Anschließend las Emil aus dem Buch über Manas.

Ich konnte nicht lange dabeisitzen. Wenn ich in die Gesichter schaute, denen der Weggang eines Gruppenmitgliedes offensichtlich so egal war, dann konnte ich nur flüchten. Ein Stinkstiefel ist jetzt weg. Wer wird nach der Gruppendynamik nun als neuer Prügelknabe oder Stinkstiefel ausgeguckt?

Zur Narsan Quelle kurz vor Torugart, 14.06.07 (KIG)

Heute Morgen waren es nur 4,5°C, die Schneespitzen um uns herum hatten neue weiße Hauben. Vor uns lagen 180 km nach Ak-Beyit einem 5 Häuser Dorf auf unserem Weg über den Tienshan. Die Sonne von gestern hatte beschlossen, sich hinter dunklen Wolken und Regen zu verstecken, der die letzten Kilometer Anstieg zum Dolon Paß zur Schlammpiste machte. Doch die Straße besserte sich zum Glück und wir konnten die Gebirgslandschaft genießen. Naryn war unsere letzte etwas größere Stadt, genaugenommen die letzte Ansiedlung überhaupt in Kirgistan. Hier wurde getankt und die letzten Som ausgegeben.

Es ging wieder auf die Piste. Vor uns lagen 100 km Schotterstraße, die ein schnelleres Fahren als 20 kmh nicht zuließ. Eine Prüfung für Mensch und Material. Der Weg führte durch ein Hochtal, das links begrenzt wurde von schroffen Schneegipfeln, rechts von sanft gerundeten samtenen Kuppen. Der Bewuchs war spärlich, man mußte Grün suchen und doch tauchten in dieser Einsamkeit Jurten auf, die auch bewohnt waren, die Herden, Pferde, Kühe und Schafe waren dann auch nicht weit. Wir vermuteten, daß sie "Graszupfbewegung" nur machten weil die in ihren Genen verankert ist. Die Straße forderte ihren Tribut. Zwei Halterungen von Reserverädern gaben auf, die Räder mußten im Wagen verstaut werden. Gil schoß 400 Bilder, damit ich wenigstens auf den Fotos etwas von der Landschaft mitbekam.

Um 17:00 Uhr kamen wir in Ak-Beyit an und freuten uns auf einen ruhigen Abend, als Reisleiter Heinrich einen nicht nachzuvollziehenden Vorschlag machte: wir sollten noch 65 km weiter fahren, wir könnten dann etwas von den 240 km Schotterstraße nach Kashgar vorholen. Eine richtige Abstimmung gab es sowieso nicht, das Gemurmel von drei Leuten weiterzufahren nach er als Zustimmung, zumal keine lauten Gegenargumente kamen. Nicht erzählt hatte er, daß bei einem Outer Checkpoint der kirgisischen Grenztruppe eine halbe Stunde Wartezeit anfiel.

Ein weiterer Paß, der Tjuz Bel, 3.574 m, der nicht in der Karte verzeichnet war, wurde genommen. Zum Glück hatten wir Regen und Wolken weit hinter uns gelassen, so daß die Straße staubtrocken war. Ein weiter Abstand zum Vordermann war erforderlich, um dessen Staubfahne aus dem Weg zu gehen und trotzdem sitzt der Staub in jeder Ritze des Autos. Egal, was man dem Schrank holt, es ist staubüberzogen!

Um 19:30 Uhr trafen wir auf unserem Stellplatz ein, einem Parkplatz auf der Hochebene in 3.544 m Höhe an der Narsan-Quelle, einer warmen mineralhaltigen Quelle, von der die Leute der weiteren Umgebung ihr Wasser holen. Ein schöner Platz. Hinter uns liegt der Chartyr-Köl, der drittgrößte See Kirgistans, an dem schwarze Kraniche rasten auf ihrem Weg ins Winterquartier am Isyk-Kul. Vor uns kahle Berghänge, die schon zu China gehören.

Auf dem abendlichen Briefing das zweite Unverständliche: morgen Abfahrt um 9 Uhr (bisher war 6 Uhr geplant). Grund: die kirgisische Grenze sollte uns nicht allzu lange aufhalten und die chinesische Seite würde sowieso erst um 12 Uhr öffnen. Das wußte er doch alles vorher!

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