Entdeckerreise 2007: Auf den Spuren Marco Polos

Bericht 13: Usbekistan - Jalal Abad, Toktogul, Bishkek



06.06.07

Nach Jalal Abad (KIG)
oder: ein schwarzer Tag.

bis
10.06.07

Toktogul (KIG)
Bishkek (KIG)


Nach Jalal Abad, 06.06.07 (KIG) oder: ein schwarzer Tag

Fast pünktlich, wir mußten nur auf die Polizei warten, konnten wir am frühen Morgen Richtung kirgisischer Grenze starten.

Ein "normaler" Tankstop. Viele Kinder wuseln wie üblich um uns herum, ich hatte gerade bemerkt, daß mein Handy aus der Ablage verschwunden war und zu Hause zwecks Sperrung angerufen, ertönte es über Funk von Manfred: mein Handy ist weg, bitte die Polizei nach hinten schicken, ich fahre nicht weg, ehe ich nicht mein Handy wieder habe! Das Unmögliche geschah: die Polizei schaffte es, die Kinder so zu "motivieren", daß sich ein Handy - jedoch mein Siemenshandy - im Graben im hohen Gras wiederfand, kurze Zeit später das andere von Manfred. Die SIM-Karten fehlten und, o Wunder, die fanden sich in eben diesem hohen Gras im Graben wieder! Wieder ein Anruf zu Hause, daß die Sperrung unnötig sei (verzeih, Micha, das frühe Wecken gegen 6.00 Uhr!). Später erfuhren wir, daß der Tankwart seinem Sohn ins Gewissen geredt hatte, und dieser sowie ein anderer Junge haben die Polizei zum Graben neben der Tankstellt geführt. Die Täter wurden im Polizeiauto mitgenommen.

Der Dunst ließ die fernen 5.000er nur erahnen. Die Eisfelder sahen wie eine weitere Wolkenbank aus. Das Abenteuer erwartet uns, Kirgisistan ist ein ausgesprochenes Gebirgsland, denn etwa die Hälfte des Gebietes, das ungefähr doppelt so groß ist wie Portugal, liegt höher als 1.500 m, fast die Hälfte über 3.000 m. Drei Pässe von über 3.000 m werden wir in den nächsten Tagen fahren und am zweitgrößten Bergsee der Welt, dem Isyk-Kul-See, uns im Anblick von 7.000ern erholen - herrlich spannend.

Im Fergana-Tal sind viele langgezogene Straßendörfer, die sehr sauber und gepflegt wirken. Mimosenbäume mit ungewöhnlich großen duftenden Blüten lassen uns begeistert schnuppern. Seit mehr als 20 km fahren wir jetzt schon durch Dörfer, die wunderschön von Bäumen, Blumen und Weinpergolen eingefaßt sind. Die ersten Calla sind zu sehen und heckenhohe Reihen von Taglilien. Die Blüten der Steppenkerzen (Eremus) werden zum Verkauf angeboten. Die Straße säumen dunkelrote Strauchrosen und riesige Malven (Stockrosen), die in herrlich leuchtenden Farben von rot bis lila und orange, in der Morgen- und Abendsonne besonders schön schimmern. Der Straßenrand wird von vielen Trupps von Landarbeitern, Männer und Frauen, in mühevoller Arbeit mit vorsintflutlichen kleinen Hacken (eine runde Scheibe mit einem in der Mitte angebrachten Stiel) vom Unkraut frei gehalten. Alles sieht sehr ordentlich aus. Zum Teil sind an der Straße kleine, weiß angemalte Steine in einer langen Reihe angeordnet als Begrenzungsstreifen. Da Stalin einige zehntausend Deutsche aus Königsberg vertrieben und im Ferganatal angesiedelt hat, vermuten wir hier die Auswirkungen deutscher Ordnung.

Um 11:00 Uhr fuhren wir in den Grenzbereich ein, der voller Menschen und Lädchen war. Ein usbekischer Student, der in Kirgistan Jura studiert und im September ein einjähriges Praktikum in Australien machen will, erzählte uns, daß keine Probleme gibt, im Ausland zu studieren.

Endlich waren wir an der Reihe. Die Usbeken machten bei der Ausreise fast noch Fisimatenten wie bei der Einreise. Noch einmal eine Zolldeklaration ausfüllen (darauf achten, daß auch Geld im Land ausgegeben wurde!), eine Zolldeklaration für das Fahrzeug inklusive Fahrer, dann behielt der falsche Beamte das falsche Dokument - also noch einmal ausfüllen, es gab ja genug davon. Endlich hatten wir unsere Stempel und standen auf kirgisischer Seite in der Sonne und brieten. Unsere Aktivität bestand aus Warten während Heinrich sich den Beamten immer wieder in Erinnerung brachte.

Nach drei Stunden konnten wir in Kirgisen einfahren. Kaum sind wir über die Grenze, verändert die Landschaft ihr Gesicht, die Dörfer verändern sich und ebenso die Menschen. Unser erster Eindruck direkt hinter der Grenze war ein Schock nach den schmucken Dörfern des Fergana-Tals vor der Grenze: schmutzige, zerlumpte Kinder, graue teils verfallene Häuser. Spricht der Reiseführer von wenigen Autos in Kirgisistan, so wurden wir in Osh, der ersten Stadt hinter der Grenze und zweitgrößten Stadt des Landes, eines Besseren belehrt. Ohne Polizeibegleitung wühlten wir uns durch das Gewusel aus Autos und Menschen. Schlechter Straßenbelag und fehlende Gullydeckel erforderten zusätzliche Aufmerksamkeit.

Die Landschaft wurde bergiger, es wurde Kohl, die ersten Kartoffeln und Zwiebeln angebaut. Das Nationalgetränk der Kirgisen, Kymys, gegorene Stutenmilch, wurde an der Straße angeboten. Da die Stuten in den Bergen mehr als 2000 Kräuter fressen, gilt Kymys als besonders gesund und wird unter anderen zur Therapie gegen Leberzirrhose eingesetzt. Leider wurde uns davon abgeraten, diesen Saft zu probieren, da unser Organismus mit durchschlagendem Erfolg reagieren soll.

Die Berge kommen näher, sie sehen aus wie mit hell- und dunkelgrünem Samt belegt. Die abgerundeten Hügel begeistern uns. Einen zusätzlichen Farbtupfer setzen die ersten Sonnenblumen. Oft stehen einzelne Pappeln und geben den entsprechend schlanken Kontrast zu den runden Hängen. Einfach schön... Aber das werden wir die nächsten Tage noch oft begeistert denken.

Die Dörfer machten jetzt einen "nützlichen" Eindruck, es gibt kaum Blumen, sondern kleine Gemüsegärten sind vor den Häusern angelegt. Endlich sehen wir auch Kartoffelpflanzen, die schon blühen, Kohl und Zwiebelfelder und in den Gärten die ersten Buschbohnen. Die Felder werden noch mit Pferden gepflügt und wir sehen viele Jungen und Männer auf Pferden und nicht mehr auf Eseln. Auch die Reisfelder werden hoch zu Pferd bearbeitet und das leuchtende Hellgrün der Reisfelder begeistert uns. Die Wege in den Dörfern sich wieder ungepflastert, sehen aber gemütlich aus. Auf die Mauern, an die wir uns im Iran, in Turkmenistan und in Usbekistan gewöhnen mußten, wird hier verzichtet. Viele Walnuß und Apfelbäume säumen den Weg. Die Kinder sitzen hoch in den Kirschbäumen und pflücken unter fröhlichem Schreien die Kirschen. Auch wir haben früher nicht aufgehört die herrlichen dicken Kirschen im Baum zu essen, bis uns schlecht wurde.

Weiter ging unsere Fahrt. Eine in 12%ige Steigung, von der wir in der Karte nicht vorgewarnt wurden, zog unseren Konvoi wieder in die Länge. "1 hat wieder Motorprobleme", kam es durch den Funk und wir suchten uns an der Straße einen Platz mit Aussicht auf das atemberaubende Panorama und richteten uns auf eine Wartezeit ein. Mit Wasserauffüllen war es dieses Mal nicht getan. Der große MAN von Frans wollte den ebenso großen Winnebago abschleppen, aber angesichts der 12%-Gefälle-Serpentinenstrecke voraus sollte doch lieber ein LKW mit Abschleppstange angefordert werden. Manfred machte den Vorschlag die Kardanwalle auszubauen, das würde das Schleppen des Automatikautos erleichtern. Er machte sich gleich an die Arbeit. Irgendwie fing der 7t-Winnebago an zu rollen und quetschte Manfreds Bein. Erste Hilfe vor Ort wurde von unseren fachkundigen Mitfahrern geleistet. Ein endlich eingetroffenes Ambulanzfahrzeug brachte ihn ins Krankenhaus.

Ohne Informationen, wie es weiter geht und wie es Manfred geht, fuhren wir Anderen zu unserem Stellplatz nach Jalal Abad. Der Direktor ließ uns nicht auf den vorgesehen Parkplatz, da seine Abendgäste Platz zum Vorfahren benötigten. So mußten wir mit dem Platz vor einem Café und Disco vorlieb nehmen. Ständige Belagerung von Kindern und Erwachsenen ließ uns alle Fenster und Türen im Auge behalten und doch schafften die Kinder es, aus dem Fach in der Tür einen Schirm zu klauen. Schade, daß wir Kinder jetzt mit anderen Augen ansehen als bisher!

Sehr spät erst kam Manfred aus dem Krankenhaus zurück. Röntgen konnten sie ihn nicht, es gibt hier kein Röntgengerät, aber der Arzt meinte, es wäre nichts gebrochen. Noch viel später wurde sein Womo gebracht und der Havarist wurde eingeschleppt. Unser inländischer Guide Emil hatte es nicht geschafft, einen LKW mit Abschleppstange zu besorgen, so daß sich Frans hinten an den Winnebago hängte und ihn bergabwärts bremste. Die restlichen 25 km zu unserem Platz schleppte er ihn dann. Um 23 Uhr waren wir alle endlich wieder vereint.

Jalal Abad, 07.06.07 (KIG)

Die lange dröhnende Musik störte wohl heute Nacht Keinen. Sie setzte heute Morgen wieder ein, damit wir uns ja nicht an Ruhe gewöhnen!

Die Lage:
Manfred geht es nicht so gut, wir werden ihn bis Bishkek mitnehmen und wenn das Krankenhaus dort nicht besser ist als hier, wird er nach Hause fliegen und später nachkommen, sein Auto werden wir dann mitnehmen.

Der Winnebago wird hier repariert werden, dazu wird ein Mechaniker aus Deutschland einfliegen, die Zylinderkopfdichtung ist wohl kaputt. Wagen 4 wird bei ihm bleiben, beide werden uns dann nachfahren. Wo sie uns erreichen? Inschallah!

Da wir so gezwungen waren, einen Tag in Jalal Abad zu warten, ging es zunächst zum Geld wechseln und dann machten wir uns gemütlich auf zum Basar. Der Basar war beeindruckend, aber bei weitem nicht so bunt und so quicklebendig, wie wir es gewohnt waren. Aber es gab fast Alles zu kaufen und wir schwelgten in den schönsten Tomaten- und sonstigen Gemüseangeboten. Besonders haben es uns die Kräuter angetan. Längst gab es frisches Grün für den Salat, wie wir es noch nie gesehen haben, alles wurde ausprobiert. Und fast alles schmeckte ausgezeichnet. Die Währung heißt jetzt nicht mehr SUM sondern SOM, es gibt jetzt auch nur noch 50 SOM für einen Euro. Aber wir haben kaum Zeit zum Umgewöhnen, Flexibilität ist gefragt. Der Einkauf dauerte länger als gedacht, macht aber wie immer viel Spaß.

Das kirgisische Volk ist sehr arm und die Preise liegen zum Beispiel bei Schmalzgebackenem bei einem halben Cent pro Teigstück. Als wir mit einem 50 SOM Schein bezahlen wollen (1 Euro), wurde uns die gesamt ausgelegt Ware angeboten. Übrigens: Wodka gibt es in mannigfaltiger Auswahl von 50 Cent bis 1,50 Euro die Flasche. Er wird hier wie in Usbekistan aus Teeschalen getrunken, die Tageszeit spielt dafür keine Rolle. Entweder man hält bis zum Ende mit, oder winkt zu Beginn ab und gibt sich als Abstinenzler zu erkennen, was akzeptiert wird.

Die alten Männer mit ihren imposanten Profilen, ihren schönen Bärten und den herrlichen hohen Hüten, einer Jurte nachempfunden (darüber aber später) sind lohnende Motive. Gestickte Baumwoll- und Batikkleider ließen Nostalgie aufkommen und wir konnten nicht widerstehen, die leichten langen Kleider für 6 - 7 Euro zu erstehen.

Die Lage hat sich nicht verändert, wir werden morgen unsere Fahrt mit Manfred fortsetzen.

Nach Toktogul 08.06.07 (KIG)

Die Nacht war fürchterlich. Nachdem wir von dem Hauptparkplatz auf den Hotelparkplatz umgezogen sind, wurde alles nur noch schlimmer. Hatten wir letzte nacht die Musik "nur" von einer Seite, bekamen wir sie nun von zwei Seiten. Volle Dröhnung! Dazu ging die Dusche in unseren Hotelzimmern nicht, nur die Toilettenspülung funktionierte. Selbst für eine Pilotreise wäre der Platz unakzeptabel, auf dieser Reise ist er eine Frechheit!

Dafür ging es dann an diesem Morgen endlich in die Bergeinsamkeit, die wir uns von Kirgistan erhofften. Wir planen in einer Schlucht hinter Toktogul zu schlafen. Alle guten Wünsche begleiteten Frans, Joke und Wilhelm, die wir zurücklassen mußten, bis das Fahrzeug von Wilhelm repariert ist.

Ich mußte immer wieder an das kleine Zigeunermädchen denken, die von allen weggeschubst wurde und die sich mit gezielten Schlägen gegen drei größere Jungs zur Wehr gesetzt hatte. Sie kam zu mir, ich habe sie angelächelt, dann hat sie mich ganz zart gestreichelt. Ich habe sie ebenso zart und vorsichtig wieder gestreichelt und die Zeit hielt den Atem an. Wir haben überall erlebt, wie Zigeuner ausgegrenzt werden, wie man ihnen keine Chance gibt, etwas zu lernen und aus ihrem Leben etwas zu machen. Diese Kleine hat die tausend häßlichen Erfahrungen, die sie jeden Tag machte mit einem mutigen Streicheln für ein Lächeln vergolten. Ich wünsche ihr, daß sie sich etwas von dieser Erfahrung bewahren kann und werde sie nicht vergessen.

Unsere Straße heute morgen hatte eine leichte Waschbrettoberfläche, was dazu führte, daß unsere durchschnittliche Geschwindigkeit unter 50 km pro Stunde sank. Mit Pausen - alle zwei Stunden machen wir eine kleine Teepause und mittags eine knappe Stunde - werden wir also auch heute wieder mehr als 9 Stunden unterwegs sein. Kochen, schnell rausspringen und Brot besorgen, das Nötigste Einkaufen, ab und zu ein bißchen aufräumen, viel die Lage besprechen, sich gleichzeitig in vier Reiseführern informieren und Tagebuch schreiben sowie Bilder auswählen und archivieren, das alles läßt uns jede Nacht todmüde in den Schlaf sinken. Bisher haben sind wir in jedem Land durchschnittlich weniger als 8 Tage verbracht. Das bringt ca. 100 Fotos pro Tag und eine solche Fülle an Eindrücken und Erlebnissen, daß sicher unser Leben davon geprägt wird. In allen Ländern sind die Menschen freundlich und wir werden ständig angesprochen, auch auf die Darstellung unserer Reiseroute auf dem Wohnmobil. Besonders interessiert zeigte sich auch ein Kirgise auf seinem Pferd, der vor sich ein Schaf auf dem Sattel hatte und dieses für uns schlachten wollte und ein 16jähriges Mädchen mit Mutter und Tante, die gern Doktor werden möchte und in Amerika studieren möchte. Immer wieder müssen wir über Deutschland berichten und unser Leben zuhause. Alle möchten unsere Wohnmobile besichtigen, die wir gern zeigen. Wenn es uns zuviel wird, gehen wir eine Runde spazieren. Immer wieder wird uns erzählt, noch nie solche Wagen gesehen zu haben, die technischen Einzelheiten geben ein weites Feld für Gespräche unter Männern.

Noch etwas: die Butter hier ist traumhaft lecker, sie schmeckt nach frischer, weiter Natur, mmh.

Heute Nacht hatten wir einen längeren Regen, so daß der Morgen frisch und kühl war, wir genossen die klare Luft. Wie ein tief eisblaues Band windet der Naryn sich durch die Schlucht, die wir nun fuhren. Zum Glück ging das Waschbrett in eine bessere Straße über, so daß wir uns nicht auf Schlaglöcher zu konzentrieren brauchten, sondern die Felsen und ihre Farben in uns aufnehmen konnten. Mal waren sie grün, dann wieder grau und wechselten dann ins rotbraune über. Die schroffen durch Eisfelder gemilderten Zinnen der 4.000er rundeten das Bild nach hinten ab. Wir konnten uns nicht sattsehen, das dokumentiert sich in 200 Fotos! Ein erstes Kraftwerk bändigte den Fluß aber nur ein kurzes Stück. Das zweite an der Staumauer sahen wir nicht, es lag hinter einer Biegung verborgen, aber der Toktogulstausee breitete sich bald in seiner imposanten Größe vor uns aus, ein See mit hellblauem Wasser, an dem kein Dorf lag, keine Kinder badeten, auf dem kein Boot fuhr. An Toktogul fuhren wir vorbei. Ca. 30 km hinter dem Dorf, am Eingang zum Chychkan State Zoological Reserve, wo wir 10 $ Durchfahrtgebühren auch für den folgenden Tunnel zu zahlen hatten, machten wir Halt auf einem Platz bei einem im Bau befindlichen Hotel. Ein malerischer Platz direkt am Wildwasser zwischen hohen Felswänden und unter Tannen. Welch ein Unterschied zu gestern! Welch herrliche Ruhe, nur das Rauschen des Wassers - welch ein Balsam! Die 1.600 m Höhe, in der wir uns befanden, machte sich angenehm auf diem Temperatur bemerkbar, am Abend hatten wir 14°C, nachts ging es auf 6° zurück. Mal ganz angenehm zwischendurch!

Inzwischen war in vielen Telefongesprächen mit Perestroika und dem ADAC geklärt worden, daß Manfred nach Deutschland geflogen wird. Ein Lear Jet des ADAC sollte ihn am nächsten Tag in Bishkek abholen. Peter und Annette übernahmen es, ihn noch in dieser Nacht hinzubringen. Im dunkeln durch die Bergwelt über zwei Pässe von über 3.000 m Höhe! Wir wünschen ihm gute und schnelle Genesung, daß bald wieder zu uns stoßen kann!

Nach Bishkek, 09.06.07 (KIG)

Heute ging es durch das zoologische Reservat hinauf zum Ala-Bel Paß in 3.184 m Höhe. Der Anstieg um 1.500 m war nicht so schlimm, wie befürchtet, die gute Straße tat ihr übriges, um uns den Aufstieg zu erleichtern. Die Schneeflecken reichten nun bis zur Straße. Steppenkerzen säumten wieder den Weg, dazu eine neue Sorte, etwas kleiner und gelb. Hellblau leuchtende Flecken entpuppten sich als Vergißmeinnicht. Durch Felseneinschnitte deuteten die Viertausender zu uns herüber. Pferdeherden tauchten auf, die frei grasten, viele Fohlen dabei, dann die ersten Jurtenlager der Nomaden. Sie verkauften Stutenmilch, Kymys und Honig. Die Männer gewöhnten die Fohlen an Halfter und damit an den Menschen oder waren mit Schafen und Ziegen unterwegs, sogar Kühe sahen wir. Wir dachten, Nomaden seien Einzelgänger, doch die teils großen Ansammlungen von Jurten zeigten uns das Gegenteil.

Das Grün der Almen (heißt das hier so?) wurde von immer größeren dunkelgelben Flecken durchsetzt, die schon von weitem leuchteten. Sie stellten sich als Trollblumen heraus. Es waren so viele, daß wir den Paß in Trollblumenpaß umtauften. Auf der anderen Seite ging es nicht weit herunter, wir fuhren auf einer weiten Hochebene, die von den kirgisischen Hirten hoch zu Roß und ihren Herden durchzogen wurden.

Der zweite Paß, der 3.586 m hohe Töö-Ashun Paß, war 400 m tiefer durch einen Tunnel entschärft worden. In dem schmalen und dunklen Tunnel waren Bauarbeiten und die Durchfahrt wurde nach dem Bauchgefühl geregelt, so daß es schon vorkommen konnte, daß einem ein Fahrzeug entgegenkam. Auf der anderen Seite wurde schnell klar, daß "entschärfen" wohl das richtige Wort ist, denn 30 km ging es 12,84% (so auf den Schildern!) bergab, von unseren Kennern des Großglockners als 3 mal Großglockner beschrieben, wenn auch unsere Österreicher nichts auf ihren Großglockner kommen lassen wollten. Doch ihr Protest war recht schwach!

Dann war die herrliche Bergwelt zu Ende und wir fühlten uns, als tauchten wir aus einer Urwelt auf. Es ging in die Ebene und wir kamen auf die Straße, die wir von Kasachstan gekommen wären. Es waren nur noch 60 km bis Bishkek. Unser Stellplatz befand sich auf dem Gelände eines Kindergartens und einer Schule. Weil Wochenende ist, waren wir hier ungestört.

Hier stießen auch Annette und Peter wieder zu uns, die es geschafft hatten, gegen die Bürokratie von ADAC, Kirgisien und amerikanischer Armee (da US-Flughafengebiet), Manfred und Annelise in den Lear Jet zu bekommen.

Bishkek, 10.06.07 (KIG)

Heute Morgen Besprechung. Peter bat um das Wort und monierte das Gruppenverhalten ihm gegenüber und die Einmischung der "selbsternannten Oberärzte, die ihre Kenntnisse aus dem grünen Blatt erworben haben und mit ihren Diagnosen und Therapien mehr wissen wollten als er als Arzt. Sie zögen seine Kompetenz in Zweifel und hätten einen Gutteil daran zu tragen, wenn sich Manfreds Krankheit länger hinzöge." Obwohl ich ihn verstehen kann, ist so ein Rundumschlag in der Gruppe nicht förderlich, es wäre besser gewesen, er hätte die entsprechenden Personen direkt angesprochen. So zogen sich die falschen den Schuh an, was prompt zu weiteren Spannungen führte.

Auch wenn Bishkek eine grüne Stadt und die Hauptstadt Kirgistan ist (ca. 1 Mio. Einwohner), so müssen wir doch feststellen, daß wir ebenso gern auf diese Erfahrung verzichtet hätten, wie auf den Besuch Tashkents. Bishkek ist eine junge russische Stadt und die Besichtigung von Siegesplätzen und anderen öffentlichen Plätzen und der ehemaligen russischen Universität, die jetzt eine amerikanische Uni ist, an der das Studium pro zwei Semester 1.800 $ kostet, das sich nur die Mafia und eine paar Reiche leisten können, sowie zwei Museen (Kunst und Historie, wobei ein großer Anteil russisch ist), brachte uns kaum Informationen, da es hierzu keine Führung gab. In Ermangelung von Sehenswürdigkeiten konnte, wer Lust hatte mit dem Riesenrad fahren, die Anderen genossen derweil ein gezapftes Bier. Nach dem Besuch von Souvenirläden im Kaufhaus Sum kehrten wir zu unserem Quartier zurück.

Bemerkenswert ist, daß die Leninstatue beim Abzug der Russen nicht vom Sockel gerissen wurde, sondern nur auf die Rückseite des heutigen Geschichtsmuseums verbannt wurde. Noch in weiteren Orten sollten wir Leninstatuen begegnen, ein Indiz dafür, daß die Loslösung von der Sowjetunion nicht aus vollem Herzen erfolgt ist.

Am Abend gab Perestroika ein Abendessen im Keller des Restaurants Nemo, in dem europäisches Essen serviert wurde, das uns nicht vom Hocker riß. Dafür war die Folkloreveranstaltung, die die Gruppe Kyrgyzstan Folklore Company bot, ein Genuß. Ein Sänger, der auch O Sole Mio zu den kirgisischen Instrumenten sang, interpretierte Liebeslieder an Bishkek, die Berge, die Liebste zu den eindringlichen Instrumenten mit einer Intensität, daß wir noch lange hätten zuhören können. Schön!



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