Rund um das Schwarze Meer 2003: Von Brettorf nach Jalta




Heute - Dienstag, der 05. August - sind die Pässe mit den Visa immer noch nicht da. Die georgische Botschaft hat noch nicht ihr ok gegeben. Langsam wird es eng, denn Samstag ist der letzte Termin, an dem wir losfahren wollten, ohne in Stress zu geraten.

Dienstag Abend kam die erlösende telefonische Nachricht: die Pässe sind bei Perestroika eingetroffen. Dann kann es Samstag früh losgehen.

Wir haben es geschafft! Samstag, den 09. August 09:00 Uhr ging es los. Wieder einmal sind wir aufgebrochen, um zu erfahren, was hinter dem Horizont ist.
Schnell lernten wir, daß die einzige Art, die Hitze zu ertragen, der Fahrtwind ist. So hangeln wir uns von Talsperre zu Talsperre, die sogar noch über ausreichend Wasser zum Schwimmen verfügten. Über die Odertalsperre, Süßen See (Eisleben), den Hohewarthestauesee, Trausnitzstausee (Oberpfälzer Wald), Inn, Traunsee gelangen wir uns nach Purgstall kurz vor Wien, den neuen inoffiziellen Treffpunkt.

Die Nächte werden erst nach Mitternacht erträglich, bis dahin kann man nur fatalistisch warten. Als Decke taugt nur ein Bettlaken, morgens dann zusätzlich eine dünne Wolldecke.
Herrlich, wenn ich mir vorstelle, jetzt noch an die 70 Tage unterwegs zu sein.

Ich bin neugierig auf unsere Reisegenossen. Ist der Reiseleiter kompetenter als auf der letzten Reise? Morgen werden wir es wissen.

In Traunsee schien der Sommer erst einmal zu Ende zu sein: Er regnete von Mitternacht bis Mittag (Fr, 15.8.), und der Nachmittag blieb grau. Doch Abkühlung hatte es kaum gegeben.
Abends in Purgstall die erste Fühlungsnahme mit der Hälfte der Teilnehmer. Der Älteste ist über 80 und bezeichnet sich als halben Zigeuner. Andere hatten die Chinatour (120 Tage) oder die Ägytentour (90 Tage) mitgemacht, da gibt es viel Gesprächsstoff!

Sa, 16.8.: Purgstall - Budapest: Die erste Konvoifahrt mit sechs Fahrzeugen, 364 km Autobahn. Die Grenze nach Ungarn kein Problem, nach einer halben Stunde waren alle durch. Um 16:00 Uhr schon waren wir trotz mehrerer Pausen auf dem Zeltplatz und - o Überraschung: Es gibt ein Schwimmbad. Das ist bei der Hitze, die seit heute Morgen wieder herrscht, ein Traum!

Der Rest der Teilnehmer stellte sich ebenfalls "alte" Perestroikafahrer heraus. Hier kann ich wieder sehen, wie Vorurteile schnell ad adsurdum geführt werden: "Hausmütterchen", von denen Du meinst, die können sich hinter dem Herd nicht bewegen, würden am liebsten sofort wieder aufbrechen, um durch die Gobi und die Mongolei nach China zu fahren, dazu "Verknöcherte Alte, die sich nur am Tresen festklammern", von Schotterpisten und ausgetrockneten Bachläufen schwärmen. Eine interessante Truppe, die Fahrt verspricht kurzweilig zu werden.

So, 17.8.: Besichtigung Budapest: In einem altem Bus ohne Klimaanlage ging es bei drückender Hitze durch die Stadt. Der Stadtführer riss einen nicht aus der Lethargie. Von Ungarn erfuhren wir nichts, von Budapest wenig. Lag es daran, daß ihm das Feuer für seine ungarische Heimat fehlt, da er Holländer ist? Eine Erholung war die Schiffsfahrt auf der Donau, von der man die Fischerbastei und das Parlamentsgebäude, verschiedene Kirchen schön sehen konnte. Viel Lust auf eine weitere Besichtigung hatten wir nicht, wir waren ja schon mal hier, vielmehr lechzten wir nach dem Schwimmbad auf dem Campingplatz.

Mo, 18.8.: Budapest - Mako: Diese Strecke (209 km) fuhren wir alleine, wir wollten wenigstens einmal in Ungarn Langos essen. Über die Landschaft ist nicht viel zu sagen, Ostfriesen müßten begeistert sein, so platt ist sie. Und wir hatten Glück, eine Langosbude fanden wir! Es war so lecker, wie wir es in Erinnerung hatten.
Die Straßen waren gut, so daß wir schon am frühen Nachmittag auf dem Campingplatz in Mako ankamen. Ein Planschbecken sorgte für minimale Abkühlung, und doch dauerte es lange, bis wir in dieser stehenden Hitze einschlafen konnten.
In dieser Region hat es seit drei einhalb Monaten nicht mehr geregnet, der Mais trocknet auf den Stengeln bevor er reifen kann. Viele Flußbetten sind trocken.

Di, 19.8.: Mako - Sibiu: Frühes Aufstehen heute. Überhaupt dominiert der Wecker jeden Morgen. Heute wollten wir um halb acht Uhr an der Grenze nach Rumänien stehen. Es sollte sich Stunden hinziehen hieß es. Doch welche Überraschung: nach 30 Minuten waren wir alle durch! 350 km hieß es heute zu bewältigen, daß bedeutet mindestens 7 Stunden auf Achse. Die Landschaft änderte sich schnell. Hügel bis 800 m zogen sich auf beiden Seiten der Mures, deren Lauf wir bis Alba Julia (Karlsburg) folgten. Miercurea Sibiului (Reusmarkt) ist ein wunderschönes Siebenbürger Dorf, die alten Häuser sind noch gut erhalten. Es würde lohnen, daraus etwas zu machen.
Auf dem Campingplatz in Sibiu war richtig etwas los, doch anstatt sich zu freuen, zeigte die Kellnerin des Restaurants auf dem Platz typisch rumänisches Verhalten: Sie war genervt, wenn sie ein Bier bringen sollte und Essen bestellen, daß war sowiso zu viel! Nur der Vermittlung einer Rumänischen Deutschen (oder umgekehrt?) hatten wir es zu verdanken, daß wir etwas bekamen. Später erzählte sie uns noch all die Horrorgeschichten, die wir auch schon über dieses Land gehört hatten, doch bevor ich die wiedergebe, warte ich lieber die Zukunft ab.
Diese Nacht war endlich einmal angenehm "kühl".

Mi, 20.8.: Sibiu - Brasov: Heute angenehme 150 km. Wieder ging es am Rande von Flußtälern entlang. Die Straßen sind ein wenig schmaler geworden, sie winden sich an den Hügelrändern entlang, die 1800er kann man nur ahnen. Kurz vor Brasov konnte man zu Draculas Schloß abbiegen, doch dazu hatten wir keine Lust. Die Fledermäuse am Abend vorher hatten uns genügt. Nach dem Tanken waren wir froh über einen halben Tag Ruhe auf einen schönen Platz mit Aussicht auf die Berge, denn Brasov hatte uns beim Durchfahren nicht gereizt.

Übrigens Tanken: Der Diesel kostet hier ca. 52 Cent, in Ungarn waren das ca. 73 Cent.
Essen gehen ist hier billig, die Lebensmittel kosten nur ein paar Cent: 1 kg Tomaten 5 Cent, Brot auch nur 5 Cent, 1kg Paprikasalami 1 Euro.

Am Abend lud Perestroika zum Abendessen in das Restaurant des Campingplatzes. Ein frugales rumänisches Mahl in vier Gängen erwartete uns, dazu ein guter einheimischer Rotwein, doch ich blieb lieber beim einheimischen Ursus-Bier. Danach war an ein Einschlafen nicht zu denken, das Essen mußte erst mit einigen Vodkas neutralisiert werden.

Do, 21.8.: Brasov - Bukarest: Heute liegt wieder eine kurze Strecke vor uns. 150 km durch die Subkarpaten. Eine wunderschöne Bergstrecke durch touristisch gut erschlossene Orte, mit Blicken auf steile Felswände, tiefe Schluchten, schäumende Bäche. Doch schnell war die Herrlichkeit zu Ende. Bei Ploiesti kamen wir in die Ebene und damit gleichzeitig in ein marodes Chemie-Industriegebiet (Reiseführer). Der Verkehr nahm zu, leider wurden die Straßen nicht besser und schnell waren wir in Bukarest. Unser Campingplatz, dieses Mal mit westeuropäischen Toiletten und warmen Duschen, liegt zum Glück günstig an der Umgehungsstraße.
Jetzt wird sich gestärkt für die morgige Stadtbesichtigung.

Fr, 22.8.: Bukarest: Diese Stadtführerin konnte ihr Land und ihre Stadt präsentieren! Bukarest ist eine imponierende Stadt und nicht zu Unrecht müssen die Einwohner heute mit "Ceausescus Erbe" zurechtkommen. Das bedeutet ein Regierungspalast, der zwar nicht an Grundriß, aber an Volumen das Pentagon in den Schatten stellt, ein imponierender Palast, protzig sogar, der nur sich selbst repräsentiert, sonst aber nicht angemessen genutzt werden kann. Das bedeutet riesige Boulevards, breiter als der Champs Elysees (wenn es auch nur Zentimeter sind), riesige Häuserfronten in allen Stielen vergangener Epochen, leider nicht sehr gepflegt. Aber es wird viel getan, überall wird gebaut.

Ein Freilichtmuseum zeigte uns sehr interessant Bauernhäuser aus der Vergangenheit des Landes.

Am Abend gab es eine Überraschung: Perestroika lud zum Essen. Eine Folkloregruppe präsentierte rumänische Musik, Lieder und Volkstänze. Ein schöner Abend!

Sa, 23.8.: Bukarest - Husi: Der Tag versprach lang zu werden, lagen doch 330 km vor uns. Doch die Straßen waren gut, der Verkehr mäßig und auch schlechte Beschilderung konnten uns nicht bremsen, und da die Landschaft auch nicht zum Halten einlud, kamen wir ohne Streß frühzeitig in Husi an.
Dieser Teil Rumäniens heißt Moldau, wenig hügelig, wenig Bäume, viele Pferdefuhrwerke, keine Industrie. Wovon die Landwirtschaft lebt, konnte man nicht erkennen. Es gibt ein wenig Wein, aber Unmengen von Mais.
Im Vorfeld wurde vor zu hohen Erwartungen an den Platz gewarnt, aber er erwies sich als sehr schön und ruhig.

Wieder gab es ein Abendessen, ein schöner Tagsabschluß.

So, 24.8.: Husi - Chisinau: Da wir heute Rumänien verlassen und von dem Grenzübertritt nach Moldawien viele Gerüchte kursieren, fuhren wir früh los. Die Verabschiedung aus Rumänien beschränkte auf den Ausreisestempel im Pass und eine Ausreisegebühr von 4 Euro. Dann wurden von den Moldawiern immer vier Fahrzeuge in den ersten Grenzbezirk gelassen, wo die Pässe und Kfz-Scheine kontrolliert wurden und wir den obligaten "Laufzettel" mit Autonummer und Anzahl der Personen und Stempel bekamen. Rückseite: Reklame von Rotwein. Dann ging es zur Desinfektionsanlage. Jedes Auto mußte durch ein Bad fahren und wurde abgesprüht. Wozu das gut sein sollte, weiß keiner, da die LKWs da nicht durch mußten. Aber sie konnten 3 Euro dafür kassieren. Zusätzlich mußten noch 3 Euro Ökosteuer und ein Stück weiter 1 Euro Provinzsteuer, die jede Provinz erheben darf, entrichtet werden. Doch damit nicht genug, es mußten noch 10 Euro Straßenbenutzungsgebühr gelöhnt werden. Diese sind verhandlungsfähig, je nachdem, wie gut es einem gelingt, dem Zöllner klar zu machen, daß ein Wohnmobil kein LKW, sondern PKW, bestenfalls ein ein Sonder-Kfz ist (LKW kostet 30 Euro). Nach 2 1/4 Stunden war die Prozedur beendet und wir waren in Moldawien.

Die Landschaft ist anders als vor der Grenze. Die Straße (Prädikat: sauschlecht), flankiert von kilometerlangen Walnußalleen, zieht sich durch eine sanfte Hügellandschaft. Gepflegte Weinfelder wechseln mit Sonnenblumen- und Tabakfeldern. Dörfer mit Häusern, die eine ganz andere Architektur (quadratisch mit verzinktem Walmdach) haben, liegen im Tal. Überall laufen frei Gänse und Kühe herum.

In Chisinau stehen wir gut hinter einem Hotel unter Bäumen mit Blick auf das Land. Probleme gibt es nur mit dem Strom, immer wieder fliegen die Sicherungen heraus. Doch irgendwann ist auch dieses Problem gelöst.

Mo, 25.8.: Chisinau: Vor zu großen Erwartungen von Chisinau wurde gewarnt, zu viel sei während des Krieges kaputt gegangen.

Doch zuerst ging es 35 km auf´s Land. Dort hatte sich der Ciulucu Mave tief in die Felsen geschnitten und hoch über einer Schleife des Flusses liegt das Felsenkloster Orheiul. Nur der Glockenturm zeigt, daß hier eine Kirche ist, sie selbst ist tief in den Felsen gehauen. Neben dem Kirchenraum sind noch die Kammern der Mönche zu sehen, doch nur noch einer hält den Gottesdienst aufrecht. Früher müssen hier viele Mönche gewesen sein, wie die Höhlen zeigen. Erdbeben haben viele verschüttet, der Kommunismus tat den Rest.

Am Fuße der Kirche liegt das Dorf Butuceni, versteckt in dem Flußtal. Hier wollten wir so schnell nicht weg. Wieviel Liebe haben die Bewohner in ihre Häuser gesteckt. Jedes ist anders bemalt, jedes hat seine eigenen Motive auf Balken, Hauswänden, Zäunen. Hier kann man sehen, daß nicht Geld notwendig ist, um ein Heim zu verschönern. Viele Därfer können sich eine Scheibe davon abschneiden!

Zum Mittagessen lud Perestroika in ein Lokal auf dem Lande. Schweinespieß, Krautsalat und Wein und das in herrlich kühlem Schatten!
Danach waren wir bereit für die Stadtrundfahrt durch Chisinau.

Unsere junge Stadtführerin machte ihren Job zum ersten Mal und nach ein paar Anstößen verlor sie ihre Hemmungen und konnte viel erzählen.
Die Kommunisten regieren mit 71% der Stimmen, die Arbeitslosigkeit ist sehr hoch, genauere Zahlen wußte sie nicht. Eine 2-Zimmerwohnung kostet ca. 16 Euro pro Monat, der Verdienst eines Busfahrers z.B. ist ca. 200 Euro, eines Lehrers ca. 100 Euro pro Monat.
Lebensmittel sind sehr billig: 1 kg Tomaten 20 cent, 1 kg Wurst 1 Euro, 1 Brot 10 cent, 1 Flasche Bier (1/2 Liter) 30 cent, 1/2 Liter Vodka 60 cent. Diesel kostet 30 cent.
(Umrechnungskurs: 1 Euro = 15 Lei)

Viel war in der Stadt nicht zu sehen, so zeigte sie uns Banken, Telekom- und Gasgebäude, McDonald und Plattenbauten, 24 Stockwerke hoch. Eine Kathedrale besichtigten wir, die anderorts als Dorfkirche durchgehen würde und einen Blumenmarkt. In einem Park sind viele Büsten berünmter Moldavier aufgestellt, von denen wir noch nie gehört hatten.

Abends dann tauchten am Horizont Wolken auf und wir konnten in der Blitze sehen und Donner hören. Eine kleine Wolke über uns ließ ein paar Tropfen fallen. Doch plötzlich, ohne Vorwarnung, krachte es, gefolgt von blendender Helligkeit, daß man dachte, das Hotel stürzt ein. Und dann regnete es die ganze Nacht, doch die erwartete Abkühlung trat nicht ein.
Morgens war es so heiß wie immer.

Di, 26.8.: Chisinau - Odessa: Heute steht uns der Grenzübertritt nach der Ukraine bevor. Doch zuerst müssen wir Moldawien verlassen. Die Strecke, die wir uns vorgenommen hatten, eine dicke rote Straße auf der Karte, durften wir nicht fahren. Schon bei der Einreise wurde uns auf einem Computerzettel, der bei der Ausreise wieder abzugeben war, eine Alternativroute vorgeschrieben, da im Südosten der nur 33.400 qkm großen Rebublik Seperatisten am Werk sind, die die Abspaltung von Moldawien betreiben und von Russen mit UNO-Mandat in Schach gehalten werden.

Die Straßen sind gelb, bzw. grau auf der Karte, doch nicht so schlecht wie wir erwartet haben. Wieder säumen Walnußbäume die Straßen, die Felder tragen viel Wein. Schneller als gedacht sind wir an dem improvisierten internationalen Granzübergang.

Die Ausreise erweist sich als unproblematisch und dauert nur eine halbe Stunde. Aber nichts von Desinfektion, hier gibt es so etwas nicht!

Im letzten Jahr dauerte die Einreise in Ukraine 6 Stunden und daher richten wir uns auf eine lange Wartezeit ein. Die meiste Zeit passierte überhaupt nichts. Wir warteten. Die eigentlichen Zollformalitäten beschränkten sich im Ausfüllen eines Zettels, der Gesichtskontrolle und den Stempeln in den Pässen. Und - o Wunder - nach 3 1/2 Stunden waren alle durch.

Uns erwarteten ukrainische Führer im BMW 735, die sich als äußerst kompetent erwiesen. Sie brachten die Polizei dazu, eine Kreisel für uns zu sperren; wir fuhren im Konvoi, was in der Ukraine eigentlich verboten ist, sie lotsten uns mit Warnblinker an unfallbedingten Staus vorbei. So kamen wir gut zum Campingplatz Delphin in Odessa.
Vor dem gemeinsamen Abendessen schafften wir es noch, ein Bad im schwarzen Meer zu nehmen. Herrliche Wellen und angenehm kühl. Wir waren auf wärmeres Wasser eingestellt.

Die Restaurantküche des Campingplatzes hatte sich viel Mühe gegeben. Ukrainsche Krautwickel und zum Nachtisch selbstgemachte Piroggi mit Quarkfüllung. Ein schöner Tagesabschluß!

Mi, 27.8.: Odessa: Heute lassen wir die Seele baumeln. Wir schenken uns die Stadtbesichtigung und verdrömeln den Tag mit Einkaufen, Tagebuchschreiben, Schwimmen und Lesen. Auch die abendliche Opernveranstaltung schenken wir uns. Wir können uns nicht dazu überwinden, das Zigeuner-Lotterleben mit der Kultur zu vertauschen.

Auch diese Nacht wird wieder eine mittlere Tortur. Die Temperatur im Auto steht bei 26°C und sinkt erst gegen Morgen gegen auf 23°C. Das, gepaart mit einem Disco-Gewummere und höllischem Karaoke-Geschrei bis 5 Uhr morgens, hindern mich doch sehr am Schlafen. Hätte ich nicht gedacht.

Do, 28.8.: Odessa - Cherson: Wieder um 08:00 Uhr en route. Wir stellten fest, daß sich unser einer Bücherhängeschrank aufzulösen beginnt. Das bedeutet Umsortieren und Verteilen der Bücher. Für unsere geplante Fernostreise heißt das, daß ich alle Hängeschränke ausbauen und die Bodenverleimungen verstärken muß. Ich kann nur hoffen, daß die Schränke dann nicht aus Deckenhalterungen reißen.

Die 200 km nach Cherson sind eine angenehme Entfernung, die ohne Hindernisse bewältigt wurde. in Cherson standen wir wieder auf dem Parkplatz des Hotels Fregat, dieses Mal nicht auf dem Dach der Garagen, sondern neben der Tankstelle. Die Düfte sind entsprechend.

Wie im letzten Jahr fand das Perestroika-Abendessen auf der Dachterrasse des Hotels statt, wieder gab es Schnitzel und Eis als Nachtisch. Lecker. Dazu der herrliche Blick über den Dnjepr.

Wieder begleitet Discomusik unsere Nacht, doch irgendwann hört sie auf.

Fr, 29.8.: Cherson - Jalta: Der heutige Morgen begann mit einem Reifenwechsel. Hannes hatte durch Zufall (oder geschulten Blick?) bei Fahrzeug Nr. 8 einen Nagel im Reifen entdeckt, dem Kopf nach einen ziemlich dicken. Die Luft war noch ok, aber prophylaktisch wurde der Reifen gewechselt. "Geballte Männerkraft" mit dem richigen Werkzeug (Akkuschrauber) schaffte das in ein paar Minuten.

Dann ging es an die 360 km lange Etappe nach Jalta. Diese Strecke zieht sich endlos durch die Ebene, kilometerlang geht es geradeaus, nur die LKWs, die ungeachtet der Straßenverhältnisse, Geschwindigkeitsbegenzungen und weißer durchgezogener Linien an uns vorbeibrettern, bringen Abwechslung.

Diese Eintönigkeit veranlaßt mich, Vergleiche mit dem letzten Jahr anzustellen. wieviel ist heute anders!
Im letzten Jahr war Konvoifahren verboten - heute keine Rede davon.
Im letzten Jahr wurden wir mindestens 6 mal am Tag von der Polizei gestoppt und öfter zur Kasse gebeten, der Ruf DAI (=Polizeiposten) verursachte schon einen Adrenalinschub - heute kein einziger Stop!
Zusätzlich mußten wir im letzten Jahr eine ziemlich teure Ökoabgabe zahlen, die durch Ökopolizei öfter kontrolliert wurde - heute nichts!
Im letzten Jahr war auf Grund dieser Gegebenheiten ein einheimischer Führer und Dolmetscher notwendig, dieses Jahr kommen wir gut ohne sie aus. Unsere Rieseleiter Marlies und Heinrich machen das prima, obwohl sie kein russisch sprechen. Eine Wohltat verglichen zum letzten Jahr.

Gil benutzt die Zeit, um Temperaturmessungen im Bus anzustellen: 47 °C auf dem Armaturenbrett, 37°C auf den Knien - die richtige Temperatur für ein Kinderbad.

Genug der Vergleiche. Auch diese eintönige Strecke müssen wir am Dienstag zurück. Bei Betreten der autonomen Region KRIM müssen wir eine Abgabe von 10 Griwna (= 2 Euro) zahlen. Das Gelände ändert sich. Wir müssen das Krim-Gebirge überwinden und finden uns nach Süd-Frankreich oder Spanien oder Italien versetzt.
Ab Simferopol folgen wir einer Trolleybuslinie, die bis Jalta führt. Mit ca. 70 km Länge dürfte sie die längste Oberleitungsbuslinie der Welt sein (?).
In Jalta stehen wir wieder unterhalb des Hotels Jalta über der Promenade. Das heißt zwar ein herrlicher Blick auf des schwarze Meer, aber auch Discomusik rund um die Uhr und Compressor-Krach direkt vor den Bussen mit Abluftgestank der Promenadenküchen unter uns.
Ein erstes Bad im Meer bringt auch keine Abkühlung, es ist zu warm, auch der Genuß bleibt aus, denn es ist voller Quallen.

Abends läd Perestroika wieder in ein Restaurant auf der Promenade zum Abendessen ein. Es gibt gebratenen Fisch, der ähnlich wie eine Forelle aussieht. Er schmeckt auch sehr gut. Die Preise für Getränke sind gepfeffert, ein Bier 0.4 ltr kostet 5 Euro, aber das ist ja nun bekannt.

Sa, 30.8.: Jalta: Von den Besichtigungen heute klinken wir uns aus. Wir standen schon ehrfürchtig vor dem runden Tisch, auf der bei der Jalta-Konferenz Deutschland geteilt wurde, haben auf der Weinprobe des Weingutes Massandra den viel zu süßen Wein gekostet. Relaxen ist angesagt. Das Wasser ist überraschenderweise quallenfrei und nicht zu warm (laut Anzeige 24°C), so daß das Schwimmen herrlich ist. Dies bleibt bis Nachmittag so, dann heißt es wieder Quallenumrühren.
Die Disco wummert übrigens rund um die Uhr, für die Fahrzeuge, die direkt darüber stehen, eine Qual.

Der Sonntag läuft bei uns genauso ab: absolut faule Ferien. Und dann der Abend. Etwas war anders. Richtig, ich höre Grillen. Wieso das? Oh, die Disco schweigt und das bleibt die ganze Nacht so! Wie kann Stille so schön sein.

Mo, 01.9.: Sewastopol: Heute steht ein Ausflug nach Sewastopol auf dem Programm. Auf diese Stadt ist jeder gespannt, ist sie doch bis vor wenigen Jahren für Touristen gesperrt gewesen und die Schwarzmeerflotte ist das Synonym für diese Stadt.
Doch die ist nicht zu sehen. Die Stadtführerin bringt uns zu einem Museum, das aus einem Panoramabild, der Schlacht um Sewastopol 1854-1855, besteht. Skeptisch gehe ich mit - und bin überwältigt. Es ist nicht die Schlachtenszene, die dargestellt wird, sondern die Darstellungsart, die ich so irre finde. Da ist zu Einem die Panorama-Rundleinwand von 115 m Länge und 14 m Höhe, auf der die Schlacht dargestellt ist. Ergänzt wird diese durch einen plastisch ausgeführten Vordergrund von 900 qm. Gemälde und Vordergrund ergänzen sich und gehen so nahtlos ineinander über, daß man meint, dabei zu sein. Man selbst steht auf dem Malachow-Hügel in der Mitte und beobachtet das Geschehen.
Auf den Fotos ist der Übergang nicht mehr zu erkennen. Da ist beispielsweise der Karren im Vordergrund, der von dem Gaul auf der Leinwand gezogen wird, da ist das Brett, da im Gemälde weitergeht, die Räderspuren und der Matsch, der auf der Leinwand in der Ferne verliert, die Unterstände aus sandgefüllten Körben, die im Gemälde ihre Fortsetzung finden. Tausende von Einzelheiten wären zu erfassen, wenn man uns die Zeit ließe. So reicht es nur für einen Überblick und das große Staunen!
Geschaffen hat dieses Kunstwerk Franz Alexejewitsch Roubaud (1856-1928) in München in einem speziell dafür gebauten Pavillon. 1906 wurde es eröffnet.

Weiter ging die "KultTour" zu den Ausgrabungen des antiken Kersones, einer griechischen Handelssiedlung, die eine Bucht, die heute sogenannte Quarantänebucht, als Hafen benutzten. Auch die Gründung Sewastopols vor 220 Jahren als Kriegshafen verwendete diese Bucht als ersten Hafen. Weitere Buchten kamen mit dem Anwachsen der Flotte und dem damit verbundenen Blühen der Stadt hinzu.

Sewastopol wurde bei beiden großen Belagerungen 1854 und im Zweiten Weltkrieg durch die Deutschen jeweils bis auf wenige Häuser zerstört. Der Aufbau im Sozialismus trug nicht gerade zur Verschönerung bei und die heutige Größe von 360.000 Einwohnern rührt von der Stationierung der Schwarzmeerflotte her.

Und wir sahen sie doch, jedenfalls einen Teil davon. Drei U-Boote und meherere Schnellboote mit Raketenwerfern sahen nicht sehr modern aus. Weiter weg rosteten meherere Fregatten vor sich hin. Auch die Boote des russischen Stützpunktes, den es immer noch gibt, machten keinen vertrauenserweckenderen Eindruck.

Unser dieses Mal klimatisierte Bus schaukelte uns durch die immer noch 36°C warme Luft zurück nach Jalta über wolkenverhangene Berge, die in den nächsten Tagen Regen in Jalta verheißen sollen, was aber fast nie eintritt.

Heute ist übrigens ein Feiertag in der Ukraine. Die Schulferien sind zu Ende und heute werden die ABC-Schützen eingeschult, ein Grund für Alle, sich herauszuputzen.
Vielleicht ist auch das ein Grund, daß wir nachts wieder ruhig schlafen können.