Entdeckerreise 2007: Auf den Spuren Marco Polos

Bericht 20: Datong, Dahei,



27.07.07 bis

Nach Datong (CHN)

01.08.07

Zur mongolischen Grenze(CHN)


Nach Datong, 27.07.07 (CHN)

Die Ausfahrt aus Peking verlief unspektakulär, die Strecke war recht einfach (immer geradeaus). Mit Bildern prägten wir uns die Ortsschilder ein. Z.B. wird Datong dargestellt mit einem Männchen und einer Waschmaschine:

Klar zu erkennen, oder nicht?


Wir waren froh, der ewigen Dunstglocke zu entfliehen. Leider änderte sich auch in den folgenden 350 Kilometern nichts. Wir stiegen unmerklich auf 1.100 m Höhe und irgendwo muß der Smog in Nebel übergegangen sein. So konnten wir nicht erkennen, daß Bergzüge auftauchten und wir an dem heiligen Berg Xiaowutai Shan mit 2.881 m vorbeifuhren. Deshalb waren wir nicht böse, daß wir am frühen Nachmittag am Datong-Hotel in Datong eintrafen. Ein schöner Parkplatz mit gepflegten Blumenrabatten erwartete uns.

Der regionale Fernsehsender war auch schon da, eine niedliche Reporterin interviewte uns, es wurden Aufnahmen unserer Womos von außen und innen gemacht, dabei erwies sich meine Landkarte wieder einmal mehr als Anschauungsobjekt, daß klar machte, woher wir kommen und wohin wir gehen. So will man es nicht glauben, daß wir diese ganze Strecke mit dem Auto fahren!

Den Krach einer Baustelle hinter und dröhnende Musik aus einem Park neben uns ertrugen wir stoisch darauf vertrauend, daß es in der Nacht ruhig sein würde. So war es dann auch. Unser stilvolles Essen inmitten der Blumen wurde von einem Gewitter je unterbrochen, das wir begrüßten, da es Kühle brachte. So hatten wir eine herrliche Nacht endlich wieder im Wohnmobil.

Datong, 28.07.07 (CHN)

Um acht Uhr brachen wir zu den Hängenden Klöstern auf. Deshalb so früh, da nur bis elf Uhr die Felswand nicht im Schatten liegt. Leider hatte sich der Nebel nicht verzogen, so daß wir auf der Fahrt in die Berge des Lössplateaus die wilde Schönheit der Landschaft nur schwach erhaschen konnten.

Das Hängende Kloster (Xuankong Sì) ist der Name eines mitten in eine Felswand gebauten Klosters. Es befindet sich ca. 70 km südlich von Datong.

Es wurde im 6. Jahrhundert während der Nördlichen Wei-Dynastie erbaut. Es liegt in dem Gebirge Hengshan, einem der fünf Heiligen Berge/Gebirge.

Das Kloster besteht aus 40 winzigen Hallen und Pavillons und wurde entlang den Konturen der Steilwand gebaut, wobei man sich natürlicher Aushöhlungen und Vorsprünge zur Abstützung bediente. Die Gebäude ruhen dabei auf Holzträgern, die aus dem Felsen herausragen. Die Gebäude sind durch Gänge, Brücken und Gehsteige miteinander verbunden. Der Fels dient als hintere Wand der Hallen und wurde ausgehöhlt, um Buddhastatuen aufzunehmen. Das Kloster beherbergt 80 Bronze-, Eisen-, Ton- und Steinstatuen. Ein riesiges ausgeführtes Relief, welches den Tathagata-Buddha darstellt, ist oberhalb des Klosters aus dem Felsen gemeißelt.

Das Klettern über enge Stiegen in die drei Etagen brachte manchen Adrenalinschub und ließ den Schweiß literweise fließen. Wir wurden belohnt schönen Buddhastatuen und einem schwindelerregenden Blick über das Tal.

Auf der Rückfahrt wurde von dem Local Guide die Frage gestellt, ob wir noch die älteste Holzpagode Chinas, die Shakya-Pagode, besuchen wollten, was von Heinrich abgelehnt wurde. Erst massives Interesse brachte ihn dazu zu fragen, wer dann Interesse hätte und sagte gleich dazu, daß nur Einstimmigkeit ein Votum sei, da man den Anderen nicht zumuten könne, im Bus zu warten und meinte hauptsächlich sich und entschied gleich, daß wir nicht den Umweg machen. Eine Meisterleistung unseres Reiseleiters, der einmal mehr unsere Interessen vertrat! Wer hatte uns gefragt, ob wir die Shopbesichtigungen wollten, oder bei anderem ihm genehmen Abstimmungen, bei denen ihm drei Hände genügten? Er macht was er will, typisch der autoritäre Stil der alten Bundeswehr. Er hat nicht begriffen, daß er unser Reiseleiter ist, der unsere Interessen vertreten soll.

Datong, 29.07.07 (CHN)

Heute standen "nur" die Yungang-Grotten, die Neun-Drachen-Wand in der Altstadt und ein Supermarkt auf dem Programm. Da die Grotten nur 16 Kilometer von Datong entfernt sind, brachen wir erst um 9 Uhr auf und wollten laut Plan gegen 14 Uhr zurück sein.

Die Yungang-Grotten (yungan shiku "Wolkengrat Felsenhöhlen"), früher Wuzhoushan Grotten, sind frühe buddhistische Höhlentempel in der chinesischen Provinz Shanxi. Die Grotten liegen ca. 16 km südwestlich von Datong im Tal des Shi Li Flusses am Fuß des Wuzhou Shan. Sie wurden hauptsächlich im Zeitraum 460 - 525 n.Chr. während der Nördlichen Wei-Dynastie aus dem Sandstein herausgearbeitet und sind ein herausragendes Beispiel chinesischer Steinmetzkunst aus der Frühzeit des Buddhismus in China.

Die Anlage erstreckt sich über eine Länge von etwa einem Kilometer entlang einer Sandsteinwand am Fuß des Wuzhou Shan. Die Grotten folgen dabei dem Verlauf des Flusstales in Ost-West-Richtung. Insgesamt besteht die Anlage aus 252 Grotten mit über 51.000 Buddhastatuen. Da die Grotten in den dort üblichen Sandstein gearbeitet wurden und sie ständig den Witterungseinflüßen ausgesetzt waren, sind insbesondere die Außenbereiche zum Teil stark verwittert. Die Yungang-Grotten sind zusammen mit den Mogao-Grotten bei Dunhuang und den Longmen-Grotten bei Luoyang die wichtigsten Beispiele buddhistischer Steinschnitzkunst in China. Die Anlage ist seit dem Jahr 2001 in der Liste des UNESCO Weltkulturerbes eingetragen.

Wenn man liest, 51.000 Buddha-Statuen, dann hört sich das gewaltig an. Ist es auch, auch wenn man bedenkt, daß die meisten nur ein paar Zentimeter hoch und gerade mal im Fels angedeutet sind.

Diese Anlage beeindruckte mich sehr. Mehrere Buddhas sind über 14 m hoch und schauen durch ein Loch im Fels ins Land. Ein besonders schöner Buddha steht ohne Vorbau aus Holz oder Fels da und ist von weit zu sehen.

Nach einer Einführung unseres Local Guide hatten wir gerade mal 1 Stunde Zeit, sich Alles anzusehen. Auf die Frage an unseren Reiseleiter ob wir nicht etwas länger Zeit bekommen könnten, uns triebe ja nichts, bekamen wir zur Antwort, ihr könnt ja mit der Taxe nachkommen. Ein Gruppenmitglied sagte, der Eine brauche eben mehr Zeit, der Andere weniger. Wozu ist dann Besichtigung angesagt, wenn einige kommen, sich gleich hinsetzen und auf die Rückfahrt warten?

Dafür fuhren wir in die Altstadt, um die Neun-Drachen-Wand zu besichtigen, von der der Reiseführer nur sagt, daß sie von besseren Tagen der Stadt zeugt. Diese 45 m lange und 8 m hohe Wand ist mit neun farbenprächtigen Drachen geschmückt und sollte im 8. Jahrhundert den Palast des Sohnes des 13. Ming-Kaisers vor bösen Geistern schützen.

Von den Sehenswürdigkeiten der Altstadt Datongs, dem Huayan-Kloster, dem Shanhua-Tempel und dem Trommelturm sahen wir nichts. So etwas haben wir ja in China so oft gesehen!

Nun besuchten wir den Supermarkt, den Wal-Mart Datongs. Dafür bekamen wir 50 Minuten Zeit mit der Bemerkung, ihr wißt ja was ihr kaufen wollt. Ist der Mann hier zu Hause? Kennt er die Größe des Marktes? Weiß er wo alles ist? Weiß er, wie alles in chinesisch aussieht? Wieder einmal schossen wir los, wie auf der Flucht. Nur damit wir um 14 Uhr am Womo sind. Das waren wir auch. Plan eingehalten!

Dies war unser letztes Kulturprogramm in China. Nun geht es noch in die Natur, bevor in die Mongolei einreisen.

Nach Dahei, 30.07.07 (CHN)

In der Nacht hatte es wieder einmal zu regnen begonnen, so daß uns am Morgen ein ausgewachsener Landregen aus der Stadt begleitete. Er schaffte es auch nicht, die Tristesse dieses Ortes abzuwaschen, die das Kohlerevier dieser Industriestadt aufdrückte. Es dauerte einige Zeit, bis uns einfiel, warum die Stadt so grau wirkte. Während in allen anderen Städten, die wir durchfahren haben, viel Grün die Straßen schmückte und Blumen ihre Farbkleckse dazugaben, war hier in Datong wenig davon zu sehen und die wenigen Bäume kränkelten vor sich hin. Zwischen unserem Hotel und dem Wal-Mart versteckten sich hinter Luxusfassaden die Behausungen der Arbeiter, schwarze Löcher, in denen mehrere Menschen leben mußten, Löcher, in denen außer einigen Hängematten oder Pritschen nichts war. Es war gruselig hindurchzugehen.

Unser Weg nach Nordosten führte uns durch die industriellen Wohngebiete und führte uns noch einmal vor Augen, unter welchen erbärmlichen Bedingungen die Arbeiter hier leben müssen. Der Kohlestaub hat die Straßen und Häuser schwarz gefärbt, der Unrat und Zerfall überall. Mittendrin werden Hochhausreihen hochgezogen, denen die alten Häuser weichen müssen. Die Mieten sollen bis 300 Euro/Quadratmeter kosten. Wie sollen die Arbeiter das bezahlen?

Heute fuhren wir keine Autobahn, es ging über die Landstraße durch eine reizvolle hügelige Lösslandschaft, deren Baum-, Buschbewuchs bald aussah wie eine Parklandschaft und da das Laub der Weiden sehr hell war, könnte man meinen, im Frühling zu sein. Nur die Karte ließ ahnen, daß am Horizont Berge sein mußten.

Bei Fengzhen kamen wir in die Autonome Provinz Innere Mongolei und bekamen einen neuen Local Guide, der uns bis zur mongolischen Grenze begleitet.

Dann bog die Straße nach Südwesten um den See ab und ging in eine neue über, die noch im Bau war. Ihre Brücken waren noch im Bau und so mußten wir fünfmal eine Schlammumgehung fahren, die das Letzte von unseren Wohnmobilen forderten.

Dann ging es rechts ab einen Feldweg hinab zum See. Eine Abzweigung hatte man nicht eingeplant, ein Sandhaufen über dem Bordstein mußte genügen. Da hatte unser Hymer Probleme und die Schaufeln traten zum ersten Mal in Aktion. Belohnt wurden wir mit einem herrlichen Platz direkt am Dai Hei See inmitten von Kühen und Schafen und - wie könnte es anders sein - vielen Dorfbewohnern, die von Mopedherolden zur neu eingetroffenen Exotenschau geholt wurden. Viele Fotos mußten gemacht und bestaunt werden, später kam sogar noch ein Hirte nach, damit er auch abgelichtet werden und abends damit angeben konnte.

Der Regen hinterließ eine diesige Stimmung, die so Recht zu Sibelius paßte. Mein Ausblick aus dem Fenster: ein kleiner schilfumrandeter Tümpel, in dem einige Wasserhühner krakelten, ein paar Frösche ihren Senf dazu gaben, dahinter die Schafherde, die ruhig um ihren Schäfer herum graste, einige Baumgruppen. Den Abschluß bildete eine Baumreihe, die dichten Wald suggerierte. Ein wunderschöner Nachmittag und Abend inmitten der Natur nach all der Kultur und dem Lärm ist genau das, was ich brauche.

Nach Sisiwang Qi, 31.07.07 (CHN)

Der Vollmond zauberte heute Nacht eine besondere Atmosphäre, die das zufriedene Gefühl des Abends weitertransportierte. Der Morgen zeigte uns das Bemühen der Sonne, durch den Nebel zu dringen. Doch die nächsten schwarzen Wolken zogen schon auf.

Die Suche nach einem alternativen Weg zur Straße blieb erfolglos, so daß unser Buckel von gestern schon grinste. Mit Hacke, Schaufeln und Keilen gingen wir ihm zu Leibe und brachten unseren Hymer unbeschadet mit der tatkräftigen Hilfe und unter dem Gejohle der Einheimischen auf die Straße.

Wieder folgten der Landstraße, so daß wir die Chance hatten, mehr vom Land zu sehen. Je weiter wir kamen, desto mehr sahen die Menschen wie Mongolen aus. Sie hatten braunere Haut und nicht so platte Köpfe wie die Han-Chinesen.

Hohot, die Hauptstadt der Autonomen Prinz Innere Mongolei machte einen armen Eindruck, immerhin gab es Blumenrabatten in der Stadt, wenn auch keine Bäume. Nach einem kurzen Stück Autobahn ging es in die Berge und die Straße wand sich auf fast 1.800 m hinauf. Eine Baumgrenze gibt es auch hier nicht und wir konnten wieder einmal mehr feststellen, daß die Chinesen Weltmeister im Bäumepflanzen sind. Tausende von Bäumen, zumeist Weiden, Pappeln oder Eschen sind längs der Straße, in ausgetrockneten Flußtälern oder an Hängen gepflanzt. Dann führte die Straße auf 1.500 m hinab zu dem Grasland, das sich bis in die Mongolei erstreckt. Hinter Sisiwangqi trafen wir auf die ersten Jurtenhotels. Um ein großes zentrales im Jurtenstil gebautes Gebäude gruppierten sich die Appartements in je einer Jurte.

Wieder hat Perestroika keine Kosten und Mühen gescheut, um uns an allen kleinen romantischen Jurtenhotels vorbeizulotsen, und uns an einem über 100 Jurten umfassenden Hotel der Spitzenklasse und des Spitzenrummels und ~kitsches unterzubringen. Ich kam mir vor wie in Disneyworld! Am Abend lud Perestroika zum Essen ein. Am Eingang des Restaurants hing ein Schild: "Thousand People Bankett". Wenn ich bisher noch guten Mutes war, jetzt lief mir eine Gänsehaut über den Rücken. Der Geruch nach gekochtem Fleisch, den ich vom Notschlachter so gut kenne, trieb mich fast aus dem Saal. Man plazierte uns nicht im großen Saal, sondern in einem kleineren Raum, wo wir alleine saßen - von einer Glasscheibe vom Saal getrennt. Die Luft war womöglich noch schlechter! Vom Essen bleibt nur zu sagen, daß es zu den mengenmäßig reichhaltigsten gehörte, das wir in China genossen haben - aber auch zu den schlechtesten. Nur das Lammfleisch war prima.

Dieser Platz mit allem Drumherum hätte uns erspart bleiben können. Da kann ich nur dem Ausspruch eines Gruppenmitglieds aus vollem Herzen zustimmen: "It's too horrible to be true!"

Nach Erenhot, 01.08.07 (CHN)

Ich muß noch einmal auf das Wetter zurückkommen. Bis Peking war es heiß und in Peking stickig. In Datong hatte das Gewitter Abkühlung gebracht. Seitdem haben wir erträgliches Wetter. Seit gestern ist es für uns Nordlichter so richtiges Wetter von der Waterkant, kühl (max. 20°C) und ein wenig windig zu bewölktem Himmel. Das lüftet uns so richtig aus, während unsere süddeutschen und österreichischen Freunde schon zur Jacke greifen.

Das ist deshalb erwähnenswert, da in einem früheren (von 2002) Bericht zu lesen ist, daß hier bis zu 40°C herrschten, die das Warten auf die Verladung zur besonderen Freude gedeihen ließen.

Heute dehnten sich 200 km Grassteppe vor uns, zuerst gewellt, dann tischflach. 200 km ohne einen Baum oder Busch, nur unterbrochen von einem Städtchen. Daß wir uns von 1.500m auf knapp 1.000m hinabbewegten, war nur am GPS zu erkennen. Eine gute Straße ohne Gegenverkehr. SO waren wir zeitig an unserem Stellplatz in Ehrenhot.

Wie das Hotel heißt, weiß ich nicht, da, seitdem wir die Innere Mongolei getreten hatten, die lateinische Transkription entfallen und durch die zweite Amtsschrift, das Mongolische ersetzt ist. Hier in Ehrenhot kommt noch eine dritte Schrift, das Kyrillische hinzu. Ehrenhot unterscheidet sich im Stadtbild von den bisherigen Städten in China. Die Häuserfronten sind nicht mehr langweilig eckig und weiß gefliest, sondern haben ansprechende Fassaden mit gerundeten Fenstern, Stuck und bunten Malereien.

Am Abend lud Perestroika wieder zum Abendessen, dem Abschiedsessen aus China. Es war gut und überreichlich. Der morgige Grenzübertritt wurde besprochen.



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